# taz.de -- Kochen mit Gas: Dreckiger als Diesel?
       
       > In einer Küche mit Gasherd herrscht ein viel höherer Stickoxid-Wert als
       > auf der Straße, ist immer wieder zu lesen. Doch dieser Vergleich ist
       > Unsinn.
       
 (IMG) Bild: Droht am Gasherd die wahre Gesundheitsgefahr?
       
       BERLIN taz Eigentlich sollte dies eine Geschichte über die große Gefahr
       werden, die in vielen Küchen lauert. Denn zum Jahrestag des Diesel-Gipfels
       erklärte der CDU-Politiker Thomas Bareiß in der vergangenen Woche auf
       [1][Twitter], „gesundheitliche Beeinträchtigungen“ durch Diesel-Abgase
       seien „äußerst fraglich“. Als Grund für seine Entwarnung gab er an: „Jede
       Küche, in der sich zum Beispiel ein Gasherd befindet, hat eine vielfach
       höhere Belastung.“
       
       Nun ist Bareiß nicht nur Bundestagsabgeordneter und Energieexperte seiner
       Partei, sondern auch Parlamentarischer Staatssekretär im
       Bundeswirtschaftsministerium. Sein Wort hat also Gewicht: Wenn er vor der
       Gesundheitsgefahr durch Gasherde warnt – sollte man die dann vielleicht
       lieber schnell aus der Wohnung werfen?
       
       Was also ist die Grundlage für die dramatisch klingende Warnung? Im
       Wirtschaftsministerium gibt es dazu leider keine Informationen. Auch Bareiß
       selbst kann auf Anfrage nicht genau sagen, worauf er sich in seinem Tweet
       bezieht. „Ich bin durch verschiedene Veröffentlichungen darauf aufmerksam
       geworden“, sagt er nur.
       
       ## „Wo bleibt die Kampagne?“
       
       Tatsächlich findet sich die Warnung, dass Gasherde gefährlicher als
       Diesel-Autos sind, an diversen Stellen im Internet: Das rechte Blog „Die
       Achse des Guten“ hat darüber [2][berichtet], die Klimawandel-Leugner von
       Eike verbreiten die Information, und auch Spiegel-Provokateur Jan
       Fleischhauer fragte kürzlich: [3][„Wo bleibt die Kampagne gegen den
       Gasherd?“]
       
       Ein besonders eindringlicher Warner vor der vermeintlichen Gefahr in der
       Küche ist Prof. Thomas Koch. Der leitet das Institut für Kolbenmaschinen am
       Karlsruher Institut für Technologie, gehört zu den wichtigsten
       wissenschaftlichen Verteidigern des Diesel-Motors und äußerte sich in den
       Medien mehrfach auch über Gasherde. In einem Gastbeitrag für den
       Nachrichtensender n-tv mit der Überschrift „[4][Ja zum Diesel – Schluss mit
       unseriösen Diesel-Statements“] etwa schreibt Koch: „In einer Küche mit
       Gasherd können NO2-Werte bis 4.000 Mikrogramm/Kubikmeter gemessen werden“ –
       und vergleicht diese Zahl explizit mit dem EU-Straßen-Grenzwert von 40
       Mikrogramm pro Kubikmeter, der vielerorts zu Fahrverboten für
       Diesel-Fahrzeuge führt.
       
       100-mal höhere Werte in der Küche als auf der Straße – das wäre ja wirklich
       dramatisch.
       
       Doch woher kommt die alarmierende Zahl? Auf diese Frage liefert Koch eine
       Tabelle und eine Kurve, die aus einer Publikation schottischer
       Wissenschaftler aus dem Jahr 2001 stammen [5][(hier als pdf)]. Darin ist
       tatsächlich an einer Stelle ein Wert von rund 4.000 Mikrogramm NO2 pro
       Kubikmeter zu finden. Er wurde erreicht, nachdem alle vier Flammen eines
       Gasherds in einem Raum ohne Fenster und Abluft zwei Stunden lang auf
       höchster Stufe gebrannt hatten. Und zwar nicht als Mittelwert, sondern als
       kurzzeitiger Maximalwert. Und nicht irgendwo im Raum, sondern direkt vor
       dem Herd.
       
       Mit der Realität in einer Küche, so schreiben die Autoren der Studie
       selbst, haben diese Messungen nichts zu tun.
       
       Vor allem aber ist ein Vergleich der Werte mit den Grenzwerten für die
       Diesel-Fahrzeuge nicht zulässig. „Beim Kochen an einem Gasherd entstehen
       zwar tatsächlich hohe Stickoxid-Werte von bis zu 1.000 Mikrogramm pro
       Kubikmeter“, sagt Heinz-Joern Moriske, Luftschadstoffexperte beim
       Umweltbundesamt (UBA). „Aber das sind kurze Spitzen.“ Das NO2 werde schnell
       verdünnt, vor allem wenn wie vom UBA empfohlen beim Kochen am Gasherd das
       Fenster geöffnet oder ein Dunstabzug mit Abluft genutzt werde. Für die
       Diesel-Fahrverbote sind hingegen Jahresmittelwerte relevant. „Das ist
       überhaupt nicht vergleichbar“, sagt Moriske.
       
       ## „Aufgeblasene“ Stickoxid-Diskussion
       
       Auch Diesel-Freund Koch räumt gegenüber der taz ein, bei den von ihm
       genannten Gasherd-Werten handele es sich „um Peak-Werte, nicht um
       Mittelwerte“. Doch warum hat er diesen Wert dann explizit als
       „Vergleichswert“ für den Jahresdurchschnitt auf der Straße genannt? „Ihre
       Anfrage verstehe ich nicht“, schreibt Koch dazu. Es sei ihm nicht um einen
       direkten Vergleich gegangen, sondern darum, „Größenordnungen für die
       Menschen greifbar zu machen“. Denn die ganze Stickoxid-Diskussion halte er
       für „aufgeblasen“, schreibt er.
       
       Das also scheint der wahre Hintergrund der Gasherd-Warnung zu sein: die
       Diesel-Gefahr zu relativieren. Koch hat vor seiner Professur zehn Jahre
       lang als Ingenieur bei Daimler gearbeitet, er hält diverse Patente für
       Verbrennungsmotor-Technologien. Die Warnungen vor schädlichen
       Diesel-Abgasen nennt er in Interviews gern „Hysterie“ oder „Hexenjagd“.
       
       Doch was heißt das für den Gasherd? Stellt er, trotz der nicht
       vergleichbaren Werte, mit denen Koch und Bareiß argumentieren, eine
       Gesundheitsgefahr dar?
       
       Tatsächlich gibt es [6][eine Untersuchung] dazu, wie sich der Mittelwert
       der NO2-Konzentration verändert, wenn in einer Wohnung regelmäßig mit Gas
       gekocht wird: Er steigt demnach lediglich um 5 Mikrogramm pro Kubikmeter.
       Lüften ist beim Kochen also durchaus sinnvoll. Doch als Argument gegen
       Diesel-Grenzwerte eignet sich der Gasherd nicht.
       
       7 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/Thomas_Bareiss/status/1024041469131321344
 (DIR) [2] https://www.achgut.com/artikel/mit_dem_diesel_auf_der_deutschen_maerchenstrasse
 (DIR) [3] https://twitter.com/janfleischhauer/status/974358092166189056?lang=de
 (DIR) [4] https://www.n-tv.de/wirtschaft/Schluss-mit-unserioesen-Diesel-Statements-article19859513.html
 (DIR) [5] https://oem.bmj.com/content/58/8/511.full.pdf
 (DIR) [6] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969798001247
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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