# taz.de -- Bauprojekt der katholischen Kirche: Skandal um Sankt Hedwig
       
       > Das Erzbistum Berlin plant einen umstrittenen und teuren Umbau der
       > St.-Hedwigs-Kathedrale in Mitte. Droht Berlin ein zweites Limburg?
       
 (IMG) Bild: Soll nach Umbau komplett anders aussehen: St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin 2015
       
       Berlin taz | Wird Berlin das neue Limburg? Wir erinnern uns: Im hessischen
       Limburg hatte der katholische Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst mit dem
       Bau des dortigen Diözesanen Zentrums samt luxuriöser Bischofswohnung für
       einen Skandal gesorgt, der den Kirchenmann 2014 sein Amt kostete. Die
       Baukosten hatten sich mit über 30 Millionen Euro vervielfacht und die
       bischöfliche Wohnung wurde selbst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum
       „Denkmal eines blinden Ästhetizismus und maßloser Verschwendung“. Mit
       Limburg geschah der katholischen Kirche in Deutschland ein großer
       Imageschaden.
       
       In Berlin plant das katholische Erzbistum nun ein ungleich größeres
       Projekt, dessen Kosten schon vor Baubeginn auf rund 60 Millionen Euro
       veranschlagt werden. Es handelt sich um Sanierung und Umbau der
       St.-Hedwigs-Kathedrale in Mitte und den Neubau des noch aus DDR-Zeiten
       stammenden Teils des Bernhard-Lichtenberg-Hauses direkt hinter der Kirche.
       Zusammen mit einem benachbarten Altbau bildet das Gebäude-Ensemble das
       sogenannte Kathedralforum.
       
       Bereits seit März liegt dafür eine Genehmigung der Obersten
       Denkmalschutzbehörde des Landes Berlin vor. Doch die Entscheidung von
       Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erfolgte entgegen dem Votum der eigenen
       Fachbehörde. Das Landesdenkmalamt hatte sich gegen die Zerstörung der
       Innengestaltung von St. Hedwig aus der Nachkriegszeit ausgesprochen, da die
       vom Erzbistum Berlin geplante Neugestaltung der Kathedrale im Inneren eine
       gesamte Zeitschicht vernichten würde.
       
       Und nicht nur das: Mit Verschwinden des von Hans Schwippert 1963
       vollendeten Modernismus im Innern der Kirche wäre auch ein Symbol für den
       Selbstbehauptungswillen der katholischen Kirche in der DDR dahin.
       Schwippert war im Übrigen Westdeutscher und Architekt des Bundestags in
       Bonn. Der anmutige Modernismus in Pastellfarben bei St. Hedwig à la
       Schwippert war also auch ein Bekenntnis der damaligen katholischen Kirche
       zur Einheit Deutschlands.
       
       ## Kulturverwaltung sieht ihre Hände gebunden
       
       Doch die geplante Neugestaltung der Kirche sei zwar „nicht nur für die
       Berliner Denkmalpflege äußerst bedauerlich“, aber „aus
       verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen“, erklärte die
       Senatskulturverwaltung. Das grundgesetzliche Recht der Kirche auf
       Selbstbestimmung in Bezug auf „gottesdienstliche Belange“ wiege schwerer
       als denkmalpflegerische Interessen.
       
       Die angeführten „liturgischen Erfordernisse“, mit denen das Erzbistum seine
       Umbaupläne begründet, haben Verfassungsrang und sind wegen der verbrieften
       freien Religionsausübung nicht zu beanstanden. Eine „Nachprüfung auf
       theologisch-dogmatische bzw. liturgische Richtigkeit“ sei den
       Denkmalbehörden verwehrt, so die Senatskulturverwaltung.
       
       Ob gottesdienstliche Notwendigkeiten nur vorgeschoben sind, bleibt
       allerdings die Frage. Schließlich geht es dem Erzbistum nach eigenem
       Bekunden mit St. Hedwig, die nicht nur „Hauptkirche des Erzbistums Berlin,
       sondern zugleich für die ganze Katholische Kirche Deutschlands die zentrale
       Kirche in der Bundeshauptstadt“ sei, um so etwas wie Repräsentation im
       Sinne einer „Aufwertung des Ortes“.
       
       ## Plattenbau nicht mehr gefragt
       
       Und hier kommt man doch dem Geist von Limburg gefährlich nahe. Das
       Erzbistum möchte sich sozusagen nicht mehr in der Mode aus dürftiger alter
       Zeit darstellen. Der Plattenbau-Teil des Bernhard-Lichtenberg-Hauses stammt
       ja noch aus DDR-Tagen und ist dem Selbstverständnis der katholischen Kirche
       im reichen Deutschland von heute offenbar nicht mehr angemessen.
       
       Außerdem kann es sich das Erzbistum inzwischen leisten, viel Geld
       auszugeben. Der Haushalt 2018 weist allein bei der Kirchensteuer Einnahmen
       von knapp 146 Millionen Euro aus. Und das ist nur etwas mehr als die Hälfte
       aller Einnahmen. Das Vermögen des Erzbistums gemäß seinem letzten
       Jahresbericht von 2016 beläuft sich auf stolze 646 Millionen Euro. Die
       Verhältnisse der katholischen Kirche im ehemaligen Ostteil Berlins haben
       sich inzwischen nicht nur finanziell deutlich verändert.
       
       Erzbischof Heiner Koch will offenbar eine bauliche Hauptstadtrepräsentanz,
       die in der Bundeshauptstadt gegenüber ihren Nachbarn aus Staat und
       Wirtschaft an Glanz nicht zurücksteht. Die nun geplante Neufassung von St.
       Hedwig versinnbildlicht eine Haltung, mit der kargen Nachkriegszeit
       abzuschließen.
       
       ## Geist der NS-Widerständler
       
       Der neue Entwurf für St. Hedwig sieht deshalb vor, die vorhandene zentrale
       Öffnung zur Unterkirche zu schließen. Schwippert hatte diese mit einer
       Freitreppe versehene Verbindung zum Ort der hier versammelten Märtyrer
       nicht umsonst ins Zentrum der Kirche gerückt. Die Kirche ruht hier
       symbolisch auf den durch ihre Gebeine repräsentierten Geist der
       Widerständler im Nationalsozialismus. Bernhard Lichtenberg ist wohl der
       prominenteste von ihnen.
       
       Der Domprobst von St. Hedwig hatte sich in der Nazi-Zeit öffentlich für
       staatlich Verfolgte eingesetzt. 1941 wurde er von der Gestapo festgenommen.
       1943 starb er auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau. Der Altar in der
       Schwippert’schen Fassung reicht vom Zentralraum bis in die Unterkirche
       hinab und schafft so symbolisch noch einmal eine Gründung auf diesem Geist
       eines Bernhard Lichtenberg.
       
       Die liturgischen Belange von heute wollen dagegen die Vergangenheit
       buchstäblich unter dem Deckel halten. Die Öffnung zur Unterkirche soll
       verschwinden, darüber wird der Altar gerückt, der dann im Zentrum der
       ringsum versammelten Gemeinde stehen wird. Die vertikale Achse in der
       geplanten Neufassung wird komplettiert durch eine verglaste Himmelsöffnung
       über dem Altar in der Kuppel und dem – von der Oberkirche allerdings
       unsichtbaren – Taufstein direkt unter dem Altar in der Unterkirche.
       
       ## Nicht protzig, aber zeitgeistig
       
       Das alles mag liturgisch plausibel sein. Doch es ist dann eben ein neuer
       und anderer Geist, der sich in St. Hedwig darstellen wird. Von der
       ästhetischen Anmutung gar nicht einmal protzig (das war in Limburg auch
       nicht das Problem), aber eben zeitgeistig. Dieser Geist der Zeit verbietet
       es der katholischen Kirche in Deutschland offenbar, in Sack und Asche zu
       gehen und wie der Papst im fernen Rom demonstrativ Sparsamkeit walten zu
       lassen. Eine Renovierung der Schwippert’schen Gestaltung würde ja ungleich
       billiger ausfallen als jene edel-minimalistische Neufassung, die jetzt ins
       Auge gefasst wird.
       
       Der Beschluss zur Auslöschung der Nachkriegsepoche in St. Hedwig wird
       allerdings von massivem Protest sowohl von Denkmalschützern als auch von
       katholischen Laien begleitet. Ändern wird das vermutlich nicht viel. In der
       katholischen Kirche herrscht das Führerprinzip: Erzbischof Koch darf allein
       entscheiden (oder bestenfalls mittels Zwiesprache im Gebet).
       
       Der Skandal über die Entscheidung Kochs betrifft also nicht nur die
       Zerstörung eines Denkmals und die Verschwendung von Geldern für
       repräsentative Zwecke – darunter übrigens bislang auch Fördermittel von
       Bund und Land in Höhe von zwölf bzw. acht Millionen Euro. Zudem gibt es
       eine weitere dunkle Ahnung: Wer weiß in Berlin denn schon, wie teuer das
       Bauen am Ende wirklich wird? Bei der benachbarten Staatsoper versickerten
       immer neue Millionenbeträge buchstäblich im Berliner Sumpf.
       
       Die Initiative „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ aus Kritikern des
       kirchlichen Bauprojekts spricht schon jetzt von „Limburg 2.0“. Ihr
       Kommentar zur Causa St. Hedwig: „Ähnlich wie in Limburg haben die
       zuständigen, milieubedingt obrigkeitsorientierten Gremien zugestimmt. Und
       diese werden nach der zwangsläufigen Kostenexplosion von allem nichts
       gewusst und geahnt haben.“ Als Baubeginn ist übrigens „Frühjahr bzw. Sommer
       2019“ vorgesehen. Wann alles fertig wird, weiß Gott allein.
       
       27 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Berg
       
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