# taz.de -- Die Ruhe zwischen zwei Tönen
       
       > Elias Canetti, Wolfgang Koeppen und der deutsche Schlager: Die Reihe
       > „Schauplätze geistiger Erfahrung“im Zeughauskino stellt ab Mittwoch den
       > Filmemacher Peter Goedel in einer Werkschau vor
       
 (IMG) Bild: Ein Abgeordneter reibt sich auf im Kampf gegen Adenauer: Szene aus Peter Goedels Verfilmung von „Das Treibhaus“ (1987)
       
       Von Peter Nau
       
       Neun Filme von Peter Goedel, dessen Name vorerst noch einen gewissen
       esoterischen Klang in den innersten Zirkeln der Filmkunst hat, wählte das
       Zeughauskino für seine Werkschau aus. Das ist ungefähr ein Drittel des
       Oeuvres dieses Filmemachers von drängender Begabung mit dem Bewusstsein
       eines Auftrags.
       
       1943 in Torgau an der Elbe geboren, 1961 in den Westen geflohen, studierte
       Peter Goedel in München und Köln. Hier ergaben sich Kontakte zum WDR. Als
       Koproduktion mit dem ORF entstand 1975: „Elias Canetti. Eine Reise in die
       Provinz des Menschen“. Canettis Frage, wie der zwanghafte Mechanismus von
       Befehl und Gehorsam ausgeschaltet werden könnte, beschäftigt auch einen
       jungen Mann, der in München lebt und die Bücher des Dichterphilosophen
       liest. Dieser selbst legt eine geradezu somnambulische Ungebrochenheit in
       der Artikulation seiner Geisteskraft und Beobachtungsgabe an den Tag,
       während er in seinem Abteil, dann im Speisewagen eines sich von Zürich nach
       Wien durch pittoreske Bergtäler schlängelnden Zuges sitzt.
       
       Drei Jahre nach „Elias Canetti“ sucht Peter Goedel zusammen mit Herbert
       Hoven einen jungen Mann in dessen Umgebungen (Köln und Bonn) auf; es
       entsteht: „Rainer, 21 Jahre, möchte Schlagersänger werden“ (1978, ebenfalls
       eine WDR-Produktion). Im Kölner „Tanzbrunnen“, einer Freilichtbühne, die
       zwei Jahre später durch „Talentprobe“ (1980) Kultstatus erlangen wird,
       nimmt Rainer mit „Eine Liebe auf Zeit ist ein Spiel ohne Glück“ und einer
       deutschen Fassung von „Morning Has Broken“ erfolglos am Wettbewerb teil.
       
       Dieser Film, der sich bis heute als Longseller erweist, wurde vom
       Regisseur, der 1978 in München die Peter Goedel Filmproduktion gegründet
       hatte, selbst produziert. Gut, dass der Autor/Produzent trotzdem immer
       wieder einmal zum Fernsehen zurückkehrte, so 1983, als er für die WDR-Reihe
       „Nachtschalter“ den Beitrag „Rückkehr zu den Sternen. Science und Fiction“
       realisierte. Schön, wie die technischen Gebilde der Science-Fiction, ihre
       magische Präsenz und Strahlung, fortwährend eine Fülle uralter Dinge mit
       heraufbringen ins Bewusstsein.
       
       Peter Goedels Filme haben eine große Affinität zur Musik und zur Literatur.
       In der Verfilmung von Wolfgang Koeppens 1953 erschienenem Roman „Das
       Treibhaus“ (1987) gehen die vegetabilisch treibenden Bilder des
       Schriftstellers als die Sätze, die sie sind, in den Film ein. Auf dem Rhein
       kämpft müde ein Schleppzug gegen die Strömung; im Nibelungenexpress
       Richtung Bonn sitzt der Abgeordnete Keetenheuve, der sich im Widerstand
       gegen die Politik der Adenauer-Regierung aufreibt.
       
       Große Nähe des Films zum traumdunklen Koeppen. Als Kommentarfilm dazu gibt
       es „Literatur und Politik im ‚Treibhaus‘ Bonn“ (1989): ein TV-Bericht, der
       das nachdenkliche Bild einer Gegenwelt zum Politikbetrieb vor uns erstehen
       lässt.
       
       „Es war einmal in Masuren“ (1990) trägt uns den Klang einer untergegangenen
       Welt, in der Wolfgang Koeppen seine Kindheit verbracht hat, über die Jahre
       eines langen Menschenlebens hinweg wieder zu. Von einer Zeit, die längst
       vergangen ist, berichtet auch „Tanger – Legende einer Stadt“ (1997), ein
       Film, in dem Dokument und Fiktion eine wundervolle Synthese bilden, in der
       die Kunst des Erzählers, das Wissen des Forschenden und eine bis in die
       Fingerspitzen gehende Musikalität zu einem Ganzen von eigentümlichster
       Schönheit zusammentreten.
       
       Zwölf Jahre nach diesem Film und 29 Jahre nach „Talentprobe“ trafen sich
       Peter Goedel und Manfred Behrens noch einmal mit den Schlagersängern von
       damals. „Zugabe“ (2009) ist ein Film, der uns sagt, dass Vergänglichkeit
       nicht etwas Trauriges ist. Sie ist so etwas wie die Ruhe zwischen zwei
       Tönen – der Jugend und dem Alter –, in deren dunklem Intervall sich die
       Gegensätze versöhnen.
       
       Peter Nau, geboren 1942, war lange Jahre Autor der Zeitschrift Filmkritik.
       Der Text ist ein Vorabdruck der Einführung, die der Autor am Mittwoch zur
       Eröffnung der Reihe halten wird.
       
       Die Filme von Peter Goedel, 4. bis 14. Juli im Zeughauskino
       
       2 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Nau
       
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