# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Willkommen im Schurkenstaat
       
       > Angela Merkel ist empört, weil Donald Trump Recht und Ordnung mit Füßen
       > tritt. Tja. Unsere Bundeskanzlerin kann das schon lange.
       
 (IMG) Bild: Öko-Terroristen bei der Arbeit
       
       So klingt es also, wenn Angela Merkel ausflippt: „Ernüchternd und eine
       Stück weit deprimierend“ sei es, wie US-Präsident Trump handele, sagte die
       Kanzlerin am Sonntagabend in der ARD. Trump hatte gerade seine Zustimmung
       zur bereits abgesegneten Schlusserklärung beim G7-Gipfel zurückgezogen. Und
       überhaupt: Ein Politiker, der auf Recht und Gesetz pfeift, der einfach mal
       so internationale Abkommen bricht, seiner eigenen Industrie unfaire
       Vorteile verschafft und die Fakten verdreht, der teilt nicht mehr die Werte
       der sieben großen Industrieländer, heißt es.
       
       Stimmt. Ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel. Ernüchternd und
       deprimierend. Oder?
       
       Tja: Im Juni 2013 einigten sich nach langem zähen Ringen in Brüssel die
       EU-Länder mit dem EU-Parlament auf einen Kompromiss bei den Abgaswerten für
       Autos. Als die Entscheidung bereits gefallen war, legte Angela Merkel ihr
       Veto ein. Die anderen Staaten schäumten, aber die Regel wurde auf ihren
       Wunsch und Druck der deutschen Autobauer verwässert.
       
       ## Das Märchen von Öko-Deutschland
       
       Tja: Die Europäische Union führt gegen die Bundesrepublik Deutschland
       insgesamt 74 Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge. Vierundsiebzig!
       Allein 20 gegen das Verkehrs- und 16 gegen das Umweltministerium. Es geht
       um Feinstaub, Nitrat, Stickoxide oder Trinkwasser.
       
       Tja: Seit fast 20 Jahren weigert sich Deutschland, die „Aarhus-Konvention“
       richtig umzusetzen, die Zugang zu Informationen von Behörden und
       Unternehmen gewährt, etwa über Flugrouten. Die UN und der Europäische
       Gerichtshof haben Deutschland gerügt. Es kümmert uns nicht wirklich.
       
       Tja: Deutschland verfehlt sein EU-Klimaziel für 2020. Das ist nicht nur
       peinlich, wie der Abschied vom nationalen Klimaziel. Sondern ein Verstoß
       gegen EU-Recht, plus Strafzahlung.
       
       Tja: Deutschland verfehlt außerdem mit ziemlicher Sicherheit sein
       europäisches Ziel für die Energieeffizienz. Auch das wird ein Verstoß gegen
       geltendes EU-Recht, das ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich zieht.
       Wie sehr uns das juckt? Siehe oben.
       
       Das sind jetzt alles nur Beispiele aus dem Bereich Öko, es gibt noch viel
       mehr. Und es klingt furchtbar, aber es ist wahr: Auch wir Deutschen, die
       wir uns für die grünen Musterknaben der Welt halten, scheren uns den Inhalt
       einer Biotonne um Recht und Gesetz, wenn es um Interessen geht, die wir als
       vital definieren.
       
       Helmut Kohl, der alte Lateiner, sagte bei jeder Gelegenheit: „Pacta sunt
       servanda“ – Verträge muss man einhalten. Experten nennen das „den
       wichtigsten Grundsatz des Vertragsrechts“. Klar: Wozu Verträge, wenn sich
       keineR dran hält? Schon Kohl erteilte sich selbst da gern die Absolution,
       etwa bei der Auskunftspflicht über schwarze Kassen. Aber heute sind
       Verträge, Abkommen und heilige Schwüre sehr schnell sehr wenig wert, wenn
       sie den German Way of Life in Frage stellen. Willkommen im Schurkenstaat.
       
       Das überrascht Sie? Kein Wunder, denn das Image von Öko-Deutschland hält
       sich hartnäckig. Und wird von Regierung und Industrie gern bei jeder
       unpassenden Gelegenheit befördert. „Das größte Hindernis auf dem Weg zu
       einer echten ökologischen Umgestaltung in Deutschland“, sagte mir letztens
       ein kluger Mensch, „ist der Irrglaube, bei uns sei alles in Ordnung.“ Und
       ein anderer, ebenso kluger Regierungsinsider sagt immer: „Die Stimmung ist
       besser als die Lage.“ Das ist: Ernüchternd und ein Stück weit deprimierend.
       
       Aber so negativ kann ich Sie natürlich nicht ins Wochenende entlassen. Hier
       ist eine gute Nachricht: Gegen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz hat
       Deutschland noch nicht verstoßen.
       
       Tja: Seine Verpflichtungen gelten erst ab 2020.
       
       15 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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