# taz.de -- Stuttgart-21-Anhörung im Bundestag: S21 auch ohne Tiefbahnhof
       
       > Gegner des Megaprojekts hoffen auf Bewegung in ihrem Kampf gegen den
       > Tiefbahnhof. Unfreiwillige Schützenhilfe kommt von Thilo Sarrazin.
       
 (IMG) Bild: Oben bleiben: Kranfahrer schaut auf die S21-Baustelle
       
       Berlin taz | GegnerInnen des Megabahnprojektes Stuttgart 21 nehmen neuen
       Anlauf, um den Bau des umstrittenen Tiefbahnhofs doch noch zu verhindern.
       Bei einer öffentlichen Anhörung des Bundestagsverkehrsausschusses haben die
       AktivistInnen am Montag ein Umstiegskonzept vorgelegt, das fertig gestellte
       Bauabschnitte einbezieht, aber auf den Tiefbahnhof in der Stuttgarter
       Innenstadt verzichtet. Angesichts der enormen Kostenexplosion fordern die
       AktivistInnen strafrechtliche Ermittlungen gegen Aufsichtsräte der Bahn
       wegen Untreue. Unfreiwillige Schützenhilfe leistet dabei der umstrittene
       ehemalige sozialdemokratische Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin.
       
       Obwohl der unterirdische Bahnhofsbau in Stuttgart finanziell völlig aus dem
       Ruder läuft, wollen Bundesregierung und Bahn-Manager daran festhalten.
       Statt der ursprünglich anvisierten rund 2,5 Milliarden Euro wird der Bau
       nach Schätzungen der Bahn inzwischen mindestens 8,2 Milliarden Euro kosten.
       „Wir gehen davon aus, dass die Kosten weit darüber liegen werden“, sagte
       Hannes Rockenbauch, der zu den Gründern der Bürgerbewegung gegen Stuttgart
       21 gehört.
       
       Bahnchef Richard Lutz hatte im April im Verkehrsausschuss des Bundestages
       erklärt, „mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen“.
       Es sei ein politischer Skandal, unter diesen Umständen an dem Projekt
       festzuhalten, sagte Rockenbauch.
       
       Das von ihm vorgestellte Umstiegsszenario sieht vor, etwa die
       Neubaustrecken zum Stuttgarter Bahnhof einzubeziehen. „Was gut ist, wollen
       wir nutzen, was nicht funktioniert, sparen wir uns“, sagte er. Die
       Umsetzung des Konzept würde Gesamtkosten verursachen, die etwa der Hälfte
       der aktuell von der Bahn veranschlagten entsprechen. Anlass der Anhörung
       war der Antrag „Ausstieg und Umstieg bei dem Bahnprojekt Stuttgart 21“ der
       Linkspartei im Bundestag.
       
       ## Ermittlungen gegen Bahn-Aufsichtsräte wegen Untreue
       
       Impulse für eine Abkehr von den ursprünglichen Plänen erhoffen sich die
       AktivistInnen auch von Ermittlungen gegen Bahn-Aufsichtsräte wegen Untreue.
       „Es geht um die Frage: Hat die enorme Kostenexplosion Konsequenzen für
       jemanden?“, so der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Wolfgang
       Neskovic. Die Stuttgart-21-GegnerInnen stützen ihre Forderung nach
       Ermittlungen gegen Aufsichtsräte der Bahn auf ein Gutachten des
       Jura-Professors Jens Bülte von der Universität Mannheim. Dieses lege die
       Aufnahme von Ermittlungen nahe, sagte Neskovic.
       
       Eine taz-Anfrage zu möglichen Ermittlungen beantwortete die Berliner
       Staatsanwaltschaft nicht.
       
       Zu den Experten, die zur Anhörung im Verkehrsausschuss geladen wurden,
       gehörte – auf Vorschlag der AfD – auch Thilo Sarrazin, der bis Ende 2001
       Netzvorstand der Deutschen Bahn und Chef der Konzernrevision war. Dieser
       erklärte, die Entscheidung für Stuttgart 21 im Jahr 2001 sei auf der Basis
       der Preise von 1998 erfolgt. Dabei seien die Standardbaukosten
       berücksichtigt worden, aber keine Risikofaktoren, wie sie durch
       Besonderheiten in Böden entstehen könnten. „Deshalb war von Anfang an klar,
       dass die Kosten wesentlich höher ausfallen würden“, so Sarrazin.
       
       In seiner Stellungnahme schreibt der Ex-Bahnvorstand zudem, es sei „völlig
       klar“ gewesen“, dass „die wie immer berechnete Wirtschaftlichkeit des
       Projekts Stuttgart 21 in sich zusammenbrechen würde, wenn sich nur ein
       kleiner Teil der Risiken, etwa im Tunnelbau, materialisierte“. Trotzdem ist
       er aber dagegen, das Projekt Stuttgart 21 einzustellen – wegen des vielen
       Geldes, das bereits investiert wurde.
       
       11 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Krüger
       
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