# taz.de -- Entführter Vietnamese Trinh Xuan Thanh: Die Widersprüche der Slowakei
       
       > Gab es eine Beteiligung an der Entführung aus Berlin? Die slowakischen
       > Behörden winden sich bei den Ermittlungen.
       
 (IMG) Bild: Trinh Xuan Thanh wird im vietnamesischen Staatsfernsehens als ein Mann präsentiert, der sich freiwillig den Behörden gestellt hat
       
       Für Peter Pellegrini, den slowakischen Ministerpräsidenten, ist alles
       erledigt. „Der vietnamesische Botschafter kann definitiv bestätigen, dass
       die fragliche Person, die in Deutschland gekidnapped wurde, nicht in der
       Delegation war, die von Bratislava abgereist ist. Nur offizielle Mitglieder
       der vietnamesischen Delegation waren an Bord des Flugzeugs“, so Pellegrini.
       Also sei klar, dass die Slowakei in keine Entführung involviert gewesen
       sei.
       
       In Wahrheit ist überhaupt nichts geklärt. Denn die vietnamesische Regierung
       behauptet ja auch, es habe gar keine Entführung gegeben.
       
       In die Entführung des Geschäftsmanns und Expolitikers Trinh Xuan Thanh war
       mutmaßlich die slowakische Regierung verstrickt, er könnte mit einem
       Regierungsairbus von Bratislava nach Moskau gebracht worden sein.
       [1][Diesen ungeheuerlichen Verdacht] gibt es [2][seit drei Wochen].
       Angeblich haben die slowakischen Behörden erst im Januar überhaupt davon
       erfahren, dass es um einen Entführungsfall geht. So äußerten sich die neue
       Innenministerin Denisa Saková, die vorher Staatssekretärin war, und ihr
       Sprecher Ivan Netik, der damals beim Treffen selbst dabei war. Das aber
       stimmt nicht. Und wie taz-Recherchen weiter zeigen, hat die Slowakei die
       deutschen Ermittlungen von Anfang an nur sehr halbherzig unterstützt.
       
       Der Generalbundesanwalt hat bereits am 28. September 2017 ein
       Rechtshilfeersuchen an die Slowakei gestellt, das spätestens Mitte Oktober
       dort ankam. Es ging um den „Verdacht der ausländischen Agententätigkeit im
       Auftrag der vietnamesischen Regierung“, der gesamte Fall wurde ausführlich
       geschildert, inklusive des Hinweises, dass laut bisheriger Ermittlungen das
       Treffen zwischen slowakischen und vietnamesischen Regierungsvertretern im
       Regierungshotel Bôrik in Bratislava, das drei Tage nach der Entführung
       stattfand, in engen Zusammenhang mit dieser steht. Die slowakische Seite
       wurde aufgefordert, „sämtliche Informationen zur Veranstaltung“ zu
       übermitteln. Am 4. Oktober wurde das Ersuchen ergänzt mit dem Haftbefehl
       gegen einen Mann, der beim Treffen dabei war: Vizegeheimdienstchef Duong
       Minh Hung, der mutmaßliche Koordinator der Entführung.
       
       Über die Staatsanwaltschaft landet das Ersuchen Anfang November bei der
       Polizei, genauer bei einer Abteilung der Nationalen Kriminalagentur, die
       dem Innenministerium unterstellt ist. Eine Bitte der deutschen Ermittler
       kommen die Behörden nach: Auf Antrag beschließt am 24. November ein
       Gericht, dass Telefondaten von Beschuldigten herausgegeben werden müssen,
       die sich am Hotel aufgehalten haben sollen. Auch in dieser Anordnung wird
       der Zusammenhang zur Entführung erwähnt.
       
       ## Die fehlenden Details des Protokolls
       
       Ende November fragen die slowakischen Polizisten dann beim Chef der
       Protokollabteilung des Innenministeriums an, der beim Treffen dabei war.
       Die Entführung wird in dem Schreiben an ihn nicht erwähnt, er wird aber
       ausdrücklich um jegliche Informationen gebeten, die mit der Veranstaltung
       in Zusammenhang stehen. Der Protokollchef schickt eine knappe Beschreibung
       des Treffens inklusive Namen der angeblichen Teilnehmer zurück. Die Länge
       des Treffens gibt er mit drei Stunden an, obwohl es weniger als eine Stunde
       gedauert hat. Und er verschweigt, dass anschließend eine zwölfköpfige
       Gruppe von Vietnamesen – inklusive des inzwischen per Haftbefehl gesuchten
       Vizegeheimdienstchefs – mit einem slowakischen Regierungsflugzeug das Land
       verließ.
       
       Das Wissen darüber war zum fraglichen Zeitpunkt offenbar längst breiter
       gestreut. Niemand geringeres als der slowakische Staatspräsident Andrej
       Kiska berichtet jetzt von dem, was ihm bereits Ende letztens Sommers zu
       Ohren gekommen sei: Dass ein Vietnamese aus Deutschland entführt und in die
       Slowakei verschleppt worden sei, dass ihm ein falscher Pass ausgestellt und
       er mit einem slowakischen Regierungsflugzeug aus der EU ausgeflogen worden
       sei. „Es schien mir unglaublich, dass unser Innenministerium in eine
       Entführung verwickelt ist“, [3][sagte Kiska der Nachrichtenseite
       Aktuality.sk]. „Es war wie in einem schlechten Hollywoodfilm.“
       
       Kiska, der der öfter kritisch zum Regierungskurs steht, wirft den
       slowakischen Behörden Untätigkeit vor: Er sei überrascht, sagt er, dass nur
       die Deutschen den ernsten Verdacht untersuchen, „anstatt dass unsere
       Polizei und Staatsanwaltschaft anfangen würden zu ermitteln“. Er glaube
       aber fest daran, „dass die Wahrheit herauskommt, weil es uns sonst in
       Europa in ein sehr schlechtes Licht stellt“.
       
       Auch Außenminister Miroslaw Lajčák, wie der Präsident parteilos, fordert
       Aufklärung: „Die Situation ist sehr ernst. Wir sollten das bis zum Ende
       untersuchen, weil das sonst wirklich negative Auswirkungen auf unsere
       Beziehungen zu Deutschland haben könnte.“
       
       21 May 2018
       
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