# taz.de -- Kolumne Macht: Ukrainisches Schmierentheater
       
       > Die Inszenierung des Mordes am russischen Journalisten Arkadi Babtschenko
       > ist widerlich. Sie schadet vor allem politischen Gefangenen weltweit.
       
 (IMG) Bild: Rosen des Gedenkens für einen Nicht-Toten am Haus der Lüge
       
       Selbstverständlich lügen Geheimdienstler, das ist ihr Job. Auch Regierungen
       lügen, sogar demokratisch gewählte, oder zumindest einige ihrer Mitglieder.
       Deren Job ist das allerdings nicht. Unter anderem deshalb bestand bislang
       weltweit Einigkeit darüber, dass es besser ist, sich beim Lügen nicht
       erwischen zu lassen. Jedenfalls war das in den letzten paar tausend Jahren
       so. Gerade ändert sich das offenbar.
       
       Stolz wie Bolle präsentierte sich der vermeintlich ermordete russische
       Journalist Arkadi Babtschenko [1][auf einer Pressekonferenz]. Hach, was ist
       ihm und seinen Mitverschwörern da für ein Coup gelungen! Schuljungen können
       nach einem erfolgreichen Streich nicht glücklicher sein. Erstaunlich, dass
       Babtschenko und ukrainische Regierungs- und Geheimdienstvertreter sich
       nicht öffentlich auf die Schenkel geschlagen haben.
       
       Angeblich war das Schmierentheater der einzige Weg, den Täter und die
       Hintermänner eines Mordkomplotts gegen den regimekritischen Journalisten
       dingfest zu machen. Ob das stimmt und ob es dieses Komplott überhaupt gab,
       das kann die Öffentlichkeit nicht beurteilen. Anderes kann sie beurteilen.
       
       Zum Beispiel: Der Kreml wird es künftig leichter haben als bisher, Vorwürfe
       zurückzuweisen. Jedem Foto eines ermordeten Regimekritikers kann künftig
       die Aufnahme des angeblich getöteten Babtschenko entgegen gehalten werden.
       Das gilt übrigens nicht nur für Russland.
       
       Haben Babtschenko und die mit ihm verbündeten Idioten – Entschuldigung, ich
       habe lange nach einem weniger umgangssprachlichen Ausdruck gesucht, aber
       mir ist keiner eingefallen – , haben diese Idioten wenigstens zwei Minuten
       darüber nachgedacht, dass es Tausende von Familien gibt, die nach
       verschwundenen Angehörigen suchen? Fast überall auf der Welt? Denen jetzt
       höhnisch gesagt werden wird, dass diese sich vermutlich an einem
       karibischen Strand sonnen – und nicht etwa getötet wurden oder in einem
       Kerker schmachten?
       
       Die Babtschenko-Inszenierung gefährdet politische Gefangene, weltweit. Die
       Lehre für Diktatoren: Es mag im jeweiligen Einzelfall sehr viel klüger
       sein, Regimekritiker verschwinden zu lassen als sie öffentlich umzubringen.
       Dann fragt künftig vermutlich niemand mehr nach. Und falls doch, dann kann
       man ja das getürkte Foto des blutenden Arkadi Babtschenko in die Kameras
       halten.
       
       ## Lügen, wenn's hilft
       
       Lügen wird salonfähig. Wenn's der Sache dient. Was immer die Sache sein
       mag. Kiew, Washington oder eben Moskau: die jeweiligen Regierungen dort
       werden „die Sache“ unterschiedlich definieren. Aber das Ganze hat System.
       Wenn das Ganze doch wenigstens kein System hätte.
       
       US-Präsident Donald Trump hat kürzlich der Journalistin Leslie Stahl
       erklärt, weshalb er den Ruf von Medien zu ruinieren versucht und zwar
       unabhängig davon, ob ihre Berichterstattung korrekt ist oder nicht: Er
       möchte das Vertrauen in Journalisten zerstören und erreichen, dass niemand
       mehr Enthüllungsgeschichten glaubt, die sie veröffentlichen. Der Mann sagt
       das öffentlich. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der
       bislang – qua Amt – als Führer der so genannten „freien Welt“ galt, was
       immer man von der Politik der USA im Detail auch halten mochte.
       
       Das ist ein Kulturbruch. Wenn wir uns nicht mehr darauf verlassen können,
       dass unsere – demokratisch gewählten – Regierungen beim Lügen wenigstens
       nicht erwischt werden wollen, dann unterscheiden wir uns nicht von
       Diktaturen. Zumindest nicht im Hinblick auf Meinungsfreiheit. Arkadi
       Babtschenko, war's das wert? Oder haben Sie gar nicht gemerkt, was Sie
       getan haben?
       
       1 Jun 2018
       
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