# taz.de -- Die Wahrheit: Flaschenpfandfabel
       
       > Ein Bär, ein Storch und ein Bierkasten. Eine kurze, in reicher Prosa
       > verfasste Suff-Erzählung mit belehrender Absicht.
       
       Eines schönen Nachmittags schleppten ein Bär und ein Storch gemeinsam einen
       Bierkasten in den Supermarkt. Der Bierkasten enthielt keine Flaschen, es
       handelte sich also nur um den Rahmen, weshalb der bald gefundene
       Pfandautomat ihn nicht annahm. Ein rotgewandeter, den Supermarkt leitender
       Pavian wies die beiden darauf hin, dass der Automat keine leeren Bierkästen
       akzeptiere.
       
       Die Frage, ob man den beiden das Pfand denn nicht einfach so ausbezahlen
       könne, wurde verneint. Der weise Pavian verwies auf das Sortiment:
       „Erwerben Sie doch eine Flasche Bier, trinken Sie selbige zügig vor der
       Tür, geben Sie diese dann in den Kasten und nämlichen in den Automaten! So
       könnt’s klappen!“
       
       Da sagte der Bär: „Danke, geistvoller Pavian! Ich bin groß und stark – ich
       werde eine Flasche erwerben und trinken!“ Doch der Storch erwiderte: „Nein,
       Bruder Bär, dann bist du betrunken und redest wieder nur Unsinn. Ich
       hingegen bin sehr schlau und auch nach einer Flasche Bier noch eloquent und
       scharfsinnig.“ Ehe es zu einem Streit kam, beschlossen die beiden Freunde,
       nicht nur eine Flasche zu kaufen, sondern zwei. Und zwar zum Preis von je
       85 Cent zuzüglich acht Cent Pfand.
       
       Im Kaufhaus, dem der Supermarkt angeschlossen war, prosteten sie sich zu
       und begannen mit der Umsetzung des brillanten Pavianplans. Die Videokamera
       sahen die beiden ebenso wenig wie das Schild, das den Alkoholkonsum an
       diesem Ort untersagte. Da näherte sich ein Security-Bulle und schnaufte:
       „Sie kippen sich alkoholhaltige Liquide in Ihren Body rein. Das ist hier in
       der Mall verboten.“
       
       „Hähähä“, rülpste der Bär, dem der Suff wie erwartet bereits sämtliche
       Synapsen vernebelt hatte. Doch auch der Storch hatte sich überschätzt und
       lallte auf den Security-Bullen ein: „Hö’en Se ma, der Papfi- … äh, der
       Pa-vi-an hattuns des doch so erlaubt, hicks!“ Doch der Security-Bulle
       verhängte ein Bußgeld in Höhe von 40 Euro.
       
       Der Storch und der Bär ließen sich davon indes nicht aus dem Konzept
       bringen. Als sie die letzten Tropfen aus den Flaschen gesogen hatten,
       schwankten sie abermals zum Pfandautomaten. Sie stellten das Leergut in den
       Kasten und bekamen, wie es der erhabene Pavian prophezeit hatte, ihren
       Pfandbon, dessen Wert sich jedoch auf lediglich einen Euro fünfzig für den
       Kasten plus zweimal acht Cent für die Flaschen belief und damit geringer
       war als der Betrag, den die beiden für das zur Abgabe nötige Bier bezahlt
       hatten.
       
       Der Pavian lachte, hatte er den beiden die Getränke doch aus ebenjenem
       Grund aufgeschwatzt und somit keinen Verlust durch die Pfandausgabe
       gemacht. Und auch der Security-Bulle lachte, hatte er die 40 Euro doch in
       die eigene Tasche gesteckt und sich ein feines Mittagessen gegönnt. Und
       auch der Storch und der Bär lachten, waren sie doch stockbesoffen und
       bekamen gar nicht mehr mit, was um sie herum geschah. Es war ein schöner
       Nachmittag.
       
       23 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cornelius Oettle
       
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