# taz.de -- „Man kann nicht allen Menschen helfen“
       
       > Mikrokredite sind Hilfe zur Selbsthilfe, sagt Thos Gieskes von
       > Oikocredit. Der Geldgeber profitiert vom Bedürfnis mancher Wohlhabender
       > nach sinnvollen Kapitalanlagen
       
 (IMG) Bild: Eine Landwirtin in Ecuador erntet Rote Bete – möglich wurde dies nach Angaben von Oikocredit durch einen Mikrokredit
       
       Interview Tanja Tricarico
       
       taz: Bevor Sie zu Oikocredit kamen, waren Sie für die Rabobank, eine
       niederländische Landwirtschaftsbank, tätig. Was machen Sie heute anders? 
       
       Thos Gieskes: Ich arbeite nicht mehr für ein klassisches Finanzinstitut,
       sondern für ein soziales. Wir wollen mit dem Geld, das uns anvertraut wird,
       Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen. Soziale
       Investitionen, etwa in Mikrokredite, sollen die Menschen befähigen, sich
       selbst zu helfen. Die Geldanlage bewirkt Gutes – und auch die Anleger
       profitieren.
       
       Nehmen wir an, ich habe Geld geerbt und möchte mehrere Tausend Euro bei
       Ihnen anlegen. Wie funktioniert das? 
       
       Sie wenden sich an einen Oikocredit-Förderkreis in Ihrer Region. Wichtig
       ist uns, dass Sie wissen, unsere Investments tragen ein gewisses Risiko.
       Deshalb machen wir unsere Kunden immer darauf aufmerksam, dass sie nicht
       ihr gesamtes Vermögen bei uns anlegen. Unsere Projekte werfen keinen großen
       Gewinn ab. Wir können unseren Anlegern in der Regel eine Rendite von einem
       bis zwei Prozent anbieten. Damit bekommen Menschen in ärmeren Staaten
       mithilfe unserer Kredite eine echte Chance, ihre Lebenssituation zu
       verbessern.
       
       Wie erfahre ich, dass mein Geld auch tatsächlich dort landet, wo ich es
       möchte? 
       
       Investoren müssen sich sicher sein, dass ihre Beiträge gut eingesetzt
       werden. Das ist für uns wichtig. Allerdings können sie nicht konkret
       bestimmen, welche Projekte über ihr Geld finanziert werden. Wir informieren
       unsere Investoren per E-Mail und über unsere Online-Datenbank über unsere
       Projekte und welche Fortschritte sie machen. Mit ihrem Geld unterstützen
       die Anleger unsere Idee, aber nicht ganz gezielt einzelne Projekte.
       Regelmäßig kommen zudem Vertreter aus den Unternehmen, die wir
       unterstützen, zu uns und berichten aus ihrem Alltag.
       
       Investitionen in ethisch gute Geschäfte sind populär, die Nachfrage nach
       sozialen und grünen Investments ist groß. Aus welchem Kreis kommt das Geld,
       das Sie nutzen? 
       
       Viele institutionelle Anleger investieren bei uns, dazu zählen etwa die
       Kirchen. Aber auch Stiftungen und vor allem Privatleute, die sich bei uns
       neben der Geldanlage auch sozial engagieren können. Die Zahl der Anleger
       ist in den vergangenen Jahren tatsächlich deutlich gestiegen. Eine Menge
       Geld ist im Markt für soziale Geldanlagen im Umlauf. Die Menschen wollen
       ihr Geld sinnvoll anlegen und fragen bei uns an. Im Schnitt investieren
       Anlegerinnen und Anleger rund 15.000 Euro bei uns.
       
       Die ältesten Oikocredit-Projekte gibt es seit den 1970er Jahren. Wie
       wirksam sind Mikrokredite? 
       
       Zu den ältesten Projekten gehören eine Kooperative in Ecuador und ein
       soziales Wohnungsbauprojekt in Indien. Beide sind sehr erfolgreich. Sie
       sind ein Beispiel dafür: Wenn Projekte Sinn ergeben, dann sind sie auch
       finanzierbar. Beide Initiativen bestehen noch immer, schaffen Arbeitsplätze
       und verbessern die Lebens- und Arbeitsbedingungen Hunderter Menschen in der
       Region.
       
       In der Entwicklungspolitik wird Afrika als Kontinent mit vielen Chancen,
       aber auch Herausforderungen gesehen. Wie sieht ihr Engagement in
       afrikanischen Staaten aus? 
       
       Wir konzentrieren uns dort auf bestimmte Regionen, aber nicht auf den
       gesamten Kontinent. So haben wir beispielsweise gerade ein Energieprojekt
       in Ruanda mit rund einer Million Euro finanziert. Mehr Initiativen haben
       wir allerdings in Asien oder Lateinamerika. Wir stellen unseren
       Partnerorganisationen Kredite zur Verfügung, aber auch Eigenkapital, damit
       beispielsweise Kooperativen für den Kaffee- oder Kakaoanbau ihre Arbeit
       entwickeln können. Unser Ansatz ist: Wir investieren lieber in weniger
       Projekte, aber dann auch konkret und streuen unser Geld nicht weltweit. Man
       kann nicht überall auf der Welt allen Menschen helfen. Wir sehen uns als
       eine Art Katalysator, als eine Art Antreiber, um Entwicklung zu gestalten.
       
       Ist die Nachfrage nach Mikrokrediten auch in Entwicklungs- und
       Schwellenländern gestiegen? 
       
       Es gibt noch immer einen großen Bedarf. Bei unserer Auswahl von
       Mikrofinanzorganisationen gehen wir sehr gezielt vor. Wir prüfen, wie wir
       unterstützen können und welche Organisation oder Kooperative infrage kommt.
       Dazu arbeiten wir eng mit lokalen Partnern zusammen. Ob ein Kredit
       ausgezahlt wird, hängt von vielen Faktoren ab. Auch davon, wie sinnvoll ein
       Darlehen überhaupt ist.
       
       Können Sie sich auch eine stärkere Zusammenarbeit mit staatlichen
       Vertretern vorstellen? 
       
       Solche Kooperationen spielen keine große Rolle bei der Ausrichtung unserer
       Arbeit. Allerdings können wir uns vorstellen, künftig verstärkt mit
       einzelnen Ministerien, etwa dem Entwicklungsministerium,
       zusammenzuarbeiten. Wir haben unsere Netzwerke und Kontakte zu lokalen
       Organisationen. Auch Behörden verfügen in unseren Partnerländern über
       wichtige Kontakte. Das lässt sich gut kombinieren.
       
       14 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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