# taz.de -- heute in hamburg: „Rechte Partisanen sind Popkultur“
       
       Interview Tobias Scharnagl
       
       taz: Gewalt, Glatze, Hakenkreuz – Polens Fußballfans haben einen üblen Ruf.
       Welche Nazisymbole haben Sie zuletzt in polnischen Stadien gesehen? 
       
       Andreas Kahrs: Gar keine. Das ist ja das Bemerkenswerte! Keine SS-Rune,
       kein Hakenkreuz. Früher war der polnische Fußball dafür bekannt, heute
       haben Hooligans und Ultras neue Helden – aber auch die Familienväter im
       Stadion.
       
       Wer sind diese Helden? 
       
       Antikommunistische Partisanen, die „verstoßenen Soldaten“. Kämpfer, die von
       1942 bis 1947 den Sowjets und den polnischen Kommunisten Widerstand
       leisteten – und dann, unter den kommunistischen Herrschern, vergessen
       werden sollten. Heute leben diese „Helden“ wieder auf.
       
       Hakenkreuze sind out, rechte Partisanen in? 
       
       Ja. Nicht nur im Stadion. Sie werden gefeiert: in den Zeitungen, im Kino,
       im Hip-Hop. Partisanen sind Popkultur! Und die Fußballfans waren die
       Wegbereiter.
       
       Wie kam das? 
       
       Vor der Europameisterschaft 2012 in Polen gerieten die Vereine unter Druck.
       Die damalige Regierung von Donald Tusk wollte Ruhe in den Stadien, wenn die
       ganze Welt zusieht. Die Fans entdeckten die Partisanen für sich und sahen
       sich im Widerstand gegen die Regierung in deren Tradition. Die jetzige
       Regierung, damals in der Opposition, fand das super. So leisteten die Fans
       einer staatlichen Geschichtspolitik Vorschub – ohne Zwang. So wirkmächtig
       wie wahrscheinlich nirgendwo sonst in der Welt.
       
       Wo ist das Problem? 
       
       Teile der Fans sind noch immer rassistisch und faschistisch. So wie die
       meisten der nationalistischen Partisanen auch für ein ethnisch reines Polen
       kämpften. Viele waren Kriegsverbrecher und Antisemiten, ermordeten
       Weißrussen und Ukrainer, griffen jüdische Überlebende an, denen sie
       Kollaboration mit den Kommunisten vorwarfen. Außerdem gab es kein Kollektiv
       „verstoßener Soldaten“, dazu werden sie heute erst gemacht.
       
       Gibt es eine Gegenbewegung? 
       
       Nein. Auf die Partisanen können sich alle einigen: die Fans, die Vereine,
       die Regierung, der Familienvater im Stadion. Die Rechte organisiert seit
       Jahren „Unabhängigkeitsmärsche“; die Forderung: Polen muss wieder
       unabhängig werden! Als Feindbild muss die EU herhalten. Dieses Denken ist
       in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
       
       Vortrag: „Jenseits der Klischees: Die Fußballszene in Polen als Akteur der
       polnischen Geschichtspolitik“, 19 Uhr, Fanräume im Millerntor-stadion
       
       3 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Scharnagl
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA