# taz.de -- Mehr Transparenz bei Hannover 96: Spesen für Stimmen
       
       > Die Chefs von Hannover 96 reagieren nervös auf Anträge der Kritiker zur
       > Mitgliederversammlung. Der Präsident warnt, das sei das Ende des Clubs.
       
 (IMG) Bild: Im Fan-Block von Hannover 96 hat der Vereinspräsident Martin Kind keine Freunde
       
       Hannover taz | Jede Menge Propaganda ist im Spiel. Wie sonst soll man die
       pikante Gemengelage rund um Hannover 96 und die Mitgliederversammlung am
       Donnerstag beschreiben? Die Vereinsführung um Präsident Martin Kind will
       ihren Kurs fortsetzen und eine Fußballfirma weiterentwickeln, ohne auf die
       Mitglieder des Stammvereins Rücksicht nehmen zu müssen. Eine kritische
       Fan-Opposition wirft Kind einen Mangel an Transparenz und Demokratie vor.
       Dass sich beide Seiten mit Argumenten und Dreck bewerfen, klingt nach einer
       Provinzposse. Aber das Beispiel von Hannover 96 zeigt, welch große Kluft im
       bezahlten Fußball zwischen Vereinen, Entscheidern, Fans und Mitgliedern
       entstehen kann.
       
       Unter all den Rechenspielen, die rund um Erstligist Hannover 96 angestellt
       werden, gerät das Wesentliche immer mehr in den Hintergrund. Noch kann der
       Aufsteiger in der Tabelle bis auf den Relegationsplatz und danach in die 2.
       Liga abrutschen. Trotzdem wird nach Herzenslust gestritten.
       
       Hannover 96 hat rund 21.000 Mitglieder, von denen etwa 5.800
       stimmberechtigt sind. Rund 1.500 Mitglieder werden heute in einer
       Sporthalle neben dem 96-Stadion erwartet, wenn das übliche Resümee eines
       Jahres und pikante Anträge auf der Tagesordnung stehen.
       
       „Das wäre das Ende von 96“, sagt Klubchef Kind über das Ansinnen einiger
       Kritiker. Es liegt ein Antrag auf Änderung der Vereinssatzung vor, für
       dessen Erfolg eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Die zentrale
       Forderung lautet: Kind und das Vorstandsteam sollen die Mitglieder besser
       informieren, bei weitreichenden Beschlüssen involvieren und die
       Mitgliederversammlung als höchstes Gremium in Vereinsfragen akzeptieren.
       
       Der Grund für diese Initiative liegt ein Jahr zurück. Bei der
       letztjährigen Mitgliederversammlung stimmten 71 Prozent der 96-Mitglieder
       für einen Antrag, dass eine außerordentliche Mitgliederversammlung über die
       Aufhebung der 50+1-Regel in ihrem Klub entscheiden soll. Martin Kind
       ignorierte das und stufte das Votum als nur „beratend“ ein.
       
       ## Tricksen und Motzen
       
       Bis kurz vor Beginn der Mitgliederversammlung wurde geklagt, getrickst und
       gemotzt. Zwei aus dem Verein ausgeschlossene Mitglieder, denen eine erhöhte
       Gewaltbereitschaft nachgesagt worden ist, haben sich in einem Eilverfahren
       vor dem Amtsgericht Hannover ihr Recht zur Mitabstimmung erstritten. Sie
       wollen wie so mancher 96-Anhänger unbedingt den wegen seines autoritären
       Führungsstils angefeindeten Kind ausbremsen.
       
       Anders herum lässt die Vereinsführung nichts unversucht, um ungeliebte
       Kritiker und deren Argumente zu entkräften. Sie behält sich weiterhin die
       Entscheidungshoheit darüber vor, wer in den Verein eintreten darf und wer
       nicht willkommen ist. Mit Hilfe von Schreiben und Anrufen wurden zudem
       Versuche unternommen, das Abstimmungsverhalten möglichst vieler Mitglieder
       in die gewünschte Richtung zu lenken.
       
       Ein Abteilungsleiter soll versucht haben, ausstehende Spesenabrechnungen
       von Mitgliedern mit einem von ihm favorisierten Votum zu verknüpfen. Dass
       mit aller Kraft um einzelne Stimmen gekämpft wird, zeigt auf, wie groß die
       Nervosität und wie verbissen das Gerangel um die Macht in diesen Tagen
       sind.
       
       ## Die Träume sind zerplatzt
       
       Der harte Kern der Fans weigert sich bei den Heimspielen von Hannover 96
       weiterhin, für gute Stimmung zu sorgen und das eigene Team zu unterstützen.
       Damit wird unter anderem dagegen protestiert, dass sich Präsident Kind um
       eine Ausnahme von der 50+1-Regel bemüht, um Investoren mehr Einfluss zu
       verschaffen. Allerdings musste Kind bei diesem Bestreben zuletzt herbe
       Rückschläge hinnehmen. Im Februar hat Kind seinen Antrag auf eine
       Ausnahmeregelung von der 50+1-Regelung erst einmal ruhen lassen, nachdem
       sich abzeichnete, dass sein jahrelanges Engagement im Verein nach
       DFL-Statuten als nicht nachhaltig genug bewertet werden würde.
       
       Der Ausweg sollte eine neue Grundsatzdebatte der DFL-Vereine über die
       50+1-Regel bei der Mitgliederversammlung Ende März sein. Dort stimmte
       allerdings die Mehrheit der Klubs für eine Beibehaltung des bisherigen
       strengen Reglements. Martin Kinds Träume sind vorerst in weitere Ferne
       gerückt. Und heute muss sich der Unternehmer wieder mal im eigenen
       zerrissenen Verein behaupten.
       
       18 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Otto
       
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