# taz.de -- Das Bohème-Biotop
       
       > Die Galerien auf der Fleetinsel haben die neue Saison eröffnet, es fehlte
       > bloß Champagner
       
 (IMG) Bild: Die Admiralitätstraße hat was sehr Eigenes: Wie diesen „Frassek Space Collector, 1967/2017“ von Jan Köchermann
       
       Von Hanna Klimpe
       
       Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine Insel der Glückseligen: Auf der
       Fleetinsel verdichtet sich mit dem Fleetstreet-Theater, der Buchhandlung
       Sautter + Lackmann, dem Rialto und dem Galerienhaus in der
       Admiralitätstraße 71 ein kleines Bohème-Biotop. Hans-Jochen „Jockel“ Waitz,
       ehemaliger Anwalt und Kunstmäzen, hatte das Haus 1989 zusammen mit drei
       anderen Künstlerhäusern auf der Fleetinsel gekauft. Zwei Mal pro Jahr
       feiern die Galerien gemeinsam ihre Eröffnungen. Jürgen Becker, Melike
       Bilir, die Galerie Conradi, Karin Günther, Mathias Güntner, Multiple Box,
       Holger Priess, die Produzentengalerie Hamburg und die Libanesin Andree
       Sfeir-Semler – an diesem Freitagabend hat sich vor den Galerien in der
       ehemaligen Papiergroßhandlung „Michaelis und Co“ eine hohe Dichte gut
       angezogener Menschen versammelt.
       
       In der Galerie Karin Günther hat das Künstlerkollektiv Jochen Schmith aus
       zerschredderten Euroscheinen „Picknickdecken“ zusammengeklebt, die sich an
       den Grundrissen von Parklandschaften orientieren, Sfeir-Semler stellt
       Skulpturen des international renommierten ägyptischen Künstlers Wael Shawky
       aus, bei Holger Preiss überprüfen die Besucher anhand der angegeben
       Koordinaten, wie die Landschaftsbilder von Peter Rösel auf Google Maps
       aussehen.
       
       Melike Bilir stellt Zeichnungen aus der Reihe „Mit dem Hunde gemalt“ aus
       dem Nachlass von Andrea Tippel aus, die Professorin an der Hochschule für
       bildende Künste (HfbK) war. 2011 ist Bilir ins Haus eingezogen. Sie wünscht
       sich mehr Publicity und mehr junges Publikum. Längere Öffnungszeiten bei
       den Galerie-Eröffnungen schlägt sie vor, vielleicht eine Aftershow im
       Fleetstreet-Theater: „Es gibt zu wenig Champagner.“ Im Dezember hat sie im
       Fleetstreet-Theater mit „Der Bürgermeister der Nacht“ ein
       24-Stunden-Konzert organisiert – ein erster Versuch im Exzess.
       
       An diesem Freitag besteht das Publikum zunächst auffällig aus betuchten und
       blondierten Hanseatinnen. Später stoßen dann HfbK-Studenten dazu,
       Bierflaschen mit in die Räumlichkeiten zu nehmen, traut sich kaum jemand.
       Immerhin: Vor der Galerie Mathias Güntner besetzen ein paar Hipster die
       Treppe zum Kartenspielen.
       
       Thomas R. geht seit 15 Jahren zu den Eröffnungen der Admiralitätsgalerien.
       „Es ist schon jedes Mal ein Erlebnis und interessante, vor allem auch
       internationale Positionen zu sehen“, sagt der Lehrer. Die Admiralitätstraße
       habe etwas sehr Eigenes, im guten wie im schlechten Sinne. „Das ist hier
       alles sehr für sich, sehr gediegen. Es könnte etwas mehr passieren.“ Der
       Gesamteindruck der Exponate des heutigen Abends: Alles sehr durchdacht,
       angenehm weltläufig und sehr aufhängbar. „Hier findet aber auch
       experimentelle Kunst statt“, sagt Kunstgeschichtler Falk R. „Die Galeristen
       machen ein tolles Programm, aber sie haben sehr zu kämpfen. Ich habe
       manchmal den Eindruck, die Leute kommen alle, kaufen aber viel zu wenig.“
       
       „Das ist hier kein Ort der Seligen“, sagt Karin Günther, die seit 18 Jahren
       ihre Galerie hier hat. „Abgesehen von den Eröffnungen gibt es an einem
       Samstag schon mal bloß ein oder zwei Besucher.“ Der Ort werde nicht
       ausreichend wahrgenommen, das betreffe sowohl das potenzielle Publikum als
       auch die Unterstützung von Seiten der Stadt. „Wir zeigen hier Positionen,
       die über die Stadt hinausgehen. Ich habe manchmal das Gefühl, unsere
       Ausstellungen werden außerhalb Hamburgs mehr wahrgenommen als vor Ort.“
       Auch wenn sie kommerziell arbeiten, leisteten die Galeristen Kulturarbeit:
       „Eine Galerie ist keine Kunstagentur. Ich finde Künstler und baue sie auf,
       und wir machen auch Ausstellungen, bei denen wir wissen, dass wir kein
       Exponat verkaufen werden.“ Sie wünscht sich mehr Unterstützung von der
       Kulturbehörde – und ebenfalls junges Publikum. „Wenn ich Stefan Marx
       ausstelle, sind da sehr viele jüngere Leute, aber das heißt nicht, dass sie
       zur nächsten Eröffnung auch kommen. Das ist eher punktuell.“
       
       Gegen Abend haben sich Bürgertum und Studierende im Innenhof unterm weißen
       Plastikzelt zu Bratwurst, Bier und Weißwein versammelt. Man kennt sich,
       alles ist unaufgeregt – aber ein bisschen weniger Understatement und mehr
       Champagner hätte dieser Ort verdient.
       
       14 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Klimpe
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA