# taz.de -- heute in hamburg: „Sie wollen wissen: Hast du Tote gesehen?“
Interview Tobias Scharnagl
taz: Herr Khalefeh, vor drei Jahren sind Sie aus Damaskus geflüchtet, Ihr
bester Freund starb vor Ihren Augen bei einem Raketenangriff. Heute
erzählen Sie Fünftklässlern Ihre Geschichte. Warum?
Mohammad Khalefeh: Es geht nicht darum, Kindern Angst zu machen. Kinder
sind klug: Sie sollen wissen, warum wir, die Geflüchteten, hier sind. Sie
sollen sehen, dass wir Menschen sind, mit eigenen Geschichten. In Syrien
hatte ich die Wahl: Entweder ich gehe zum Militär und töte – oder ich
sterbe. Vielleicht fragen die Kinder sich: Warum nehmen die unser Geld?
Warum unsere Arbeitsplätze? Ich versuche zu zeigen: Wir sind nicht nur
hier, weil wir hier sein wollen. Sondern auch, weil wir müssen.
Wie reagieren die Kinder?
Bisher habe ich drei Schulen besucht. Die Kinder sitzen mit großen Augen
da, hören zu, fragen neugierig nach: Wie ist das Leben in Syrien? Wie war
es vor dem Krieg? Lebt deine Familie noch? Hast du Kontakt zu deiner
Mutter? Hast du Tote gesehen? Wie bist du über das Meer gekommen? Wie viel
kostet das?
Beantworten Sie alle Fragen?
Zehnjährigen kann ich nicht alles erzählen. Abiturienten kann ich
vielleicht sagen, wie eine Rakete meinen Freund zerriss, Jüngeren nicht.
Darum arbeiten wir mit einer Pädagogin zusammen. Dass ich drei Wochen
unterwegs war, zu Fuß, mit dem Bus, auf dem Schlauchboot, mit 40 anderen –
das erzähle ich den Schülern; ebenso, dass ich für meine Flucht 7.000 Euro
gezahlt habe.
Die Kinder sollen „spielerisch und interaktiv“ lernen, was Flucht bedeutet.
Wie soll das gehen?
Auf einer Karte zeige ich den Kindern meine Fluchtroute über den Balkan. In
einem Rollenspiel gibt mein Kollege Ayoub Hoseyni einen iranischen Arzt,
der nur Persisch spricht. Die Kinder sollen ihm klar machen, dass sie krank
sind und Schmerzen haben. Sie merken schnell, wie schwer das ist, wenn man
nicht dieselbe Sprache spricht. Solche Situationen passieren dir auf der
Flucht dauernd. Die Kinder erleben eine andere Perspektive.
Warum wollen Sie mit Ihrem Projekt „Walk in my shoes“ den Deutschen
Integrationspreis?
Wir wollen unser Projekt nicht nur in Hamburg an die Schulen bringen,
sondern deutschlandweit. Das kostet Geld. Ich wünsche mir, dass die Schulen
uns Zeit geben mit den Kindern. Wer weiß: Vielleicht wird unser Projekt
einmal Teil eines eigenen Schulfachs?
Präsentation des Hamburger Geflüchteten-Projekts „Walk in my shoes“ und
vier weitere Initiativen: 12 Uhr, Rindermarkthalle
10 Apr 2018
## AUTOREN
(DIR) Tobias Scharnagl
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