# taz.de -- Gib nicht deine Rechte auf!
       
       > Eine junge Frau, die von zwei Polizisten vergewaltigt wird: Zum Auftakt
       > der Arabischen Filmtage Berlin porträtiert Kaouther Ben Hanias Drama
       > „Beauty and the Dogs“ ein nachrevolutionäres Tunesien, das in Bezug auf
       > Frauenrechte noch einigen Nachholbedarf hat
       
 (IMG) Bild: Nach ihrer Vergewaltigung sucht Mariam Hilfe bei der Polizei – doch stattdessen erntet sie dort Hohn und Verachtung
       
       Von Mirjam Ratmann
       
       Eine junge Frau in einem glänzenden grünen Kleid rennt auf High Heels eine
       verlassene Straße entlang. Sie blickt sich panisch um, schreit und weint.
       Ihre Haare sind zerzaust, ihr Make-up verschmiert. Ein Mann folgt ihr. Als
       sie stolpert und hinfällt, bekommt er sie zu fassen. Ein Auto fährt vorbei,
       die Frau schreit erneut panisch auf. „Keine Sorge, sie sind weg“, versucht
       der Mann sie zu beschwichtigen. Doch die 21-jährige Mariam (gespielt von
       Mariam Al Ferjani) ist völlig aufgelöst, sie schluchzt und zittert am
       ganzen Körper.
       
       Sie hatte mit Freundinnen in einem Club in Tunis tanzen wollen. Dann lernt
       sie Youssef (Ghanem Zrelly) kennen und verlässt mit ihm die Party. Was nun
       passiert, zeigt die Regisseurin Kaouther Ben Hania nicht, stattdessen
       erscheint plötzlich ein großes weißes „2.“ auf dem schwarzen Bildschirm.
       Youssef ist der Mann, der Mariam hinterhergelaufen ist. Er versucht sie zu
       beruhigen und bringt sie in ein Krankenhaus.
       
       „Was hat sie denn?“, fragt die Rezeptionistin. „Sie wurde vergewaltigt und
       wir brauchen ein Dokument, das das beweist“, erklärt ihr Youssef im
       Flüsterton. Doch sowohl hier als auch im zweiten Krankenhaus, das die
       beiden aufsuchen, begegnen ihnen Gleichgültigkeit und Ablehnung. „Sie sieht
       doch gesund aus“, äußert eine Krankenschwester nüchtern, nachdem sie einen
       Blick auf sie geworfen hat. Auch ein Arzt darf sie nicht untersuchen, bevor
       die Polizei nicht Ermittlungen aufgenommen hat.
       
       Um Aufmerksamkeit zu schaffen, spricht Youssef eine Journalistin an: Ihr
       erzählt er, dass zwei Polizisten Mariam vergewaltigt haben. Von nun an geht
       das Martyrium für Mariam erst los, denn sie will die Männer, die ihr das
       angetan haben, zur Rechenschaft ziehen. Doch die Polizisten, auf die sie
       nun trifft, haben nicht im Sinn, ihr zu helfen, im Gegenteil: Mariam wird
       gedemütigt und verhöhnt.
       
       Kaouther Ben Hania greift in ihrem Film eine Geschichte auf, die sich in
       ähnlicher Form tatsächlich in Tunesien zugetragen hat. Eine 27-jährige
       Tunesierin, die im Jahr 2012 von zwei Polizisten vergewaltigt worden war,
       stand am Ende selbst vor Gericht, da man sie in einer „unanständigen
       Position“ mit ihrem Verlobten vorgefunden hatte. Ihr wurde vorgeworfen, sie
       hätte gegen die Sittlichkeitsgesetze des Landes verstoßen.
       
       Der Fall sorgte international für Aufsehen, nachdem Hunderte Frauen
       protestierend durch die Straßen zogen. Erst daraufhin wurden die beiden
       Polizisten zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Obwohl seitdem eine neue
       Verfassung in Kraft getreten ist, die Frauen mehr Rechte zuspricht und sie
       formal vor Gewalt, wie zum Beispiel Vergewaltigung in der Ehe, schützt,
       zeigt der Film deutlich, dass das noch lange nicht in allen Strukturen
       verinnerlicht worden ist.
       
       In „Beauty and the Dogs“ werden Polizisten dargestellt, die sich das Gesetz
       so zurechtbiegen, wie es ihnen passt, die sich als Behüter der
       revolutionären Errungenschaften sehen und eben deshalb ihre Institution
       bewahren wollen, auch auf Kosten anderer. Der Filmverlauf orientiert sich
       dabei an den einzelnen Stationen, die Mariam durchlaufen muss, um überhaupt
       erst einmal erhört zu werden – noch bevor sie untersucht wird, ihre
       Klamotten wechseln, geschweige denn duschen gehen kann. Stattdessen ist sie
       sexistischen und patriarchalen Polizeistrukturen ausgesetzt, die ihre
       Rechte und Würde mit Füßen treten. Als Youssef, der versucht, ihr
       beizustehen, willkürlich verhaftet wird, ruft er ihr zu„Lass dir nicht von
       ihnen Angst machen, gib nicht deine Rechte auf!“
       
       Die Entscheidung der Regisseurin, diese Geschichte langsam zu entwickeln,
       wird unterstützt durch lange Kamerafahrten, melancholische, tragende Musik
       und Nahaufnahmen, insbesondere von Mariam. Sie ist es auch, die den Film
       trägt. Mariam Al Ferjani porträtiert eine Frau, die trotz Erniedrigungen,
       Rückschlägen und Einschüchterungen nicht aufgibt, für Gerechtigkeit zu
       kämpfen – auch wenn der Film nicht auflöst, wie die Geschichte ausgeht.
       „Beauty and the Dogs“ ist ein würdiger Eröffnungsfilm für die 9. Auflage
       von Alfilm, weil er Frauen vor und hinter der Kamera in den Fokus rückt.
       
       7 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirjam Ratmann
       
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