# taz.de -- Gesellschaft nicht gespalten
       
       > Lebenslange Haft für Ahmad A., der in Hamburg einen Menschen tötete und
       > sechs weitere verletzte
       
       Aus Hamburg Philipp Schulte
       
       Ahmad A. nickt. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Eine halbe Stunde lang hatte
       er sich zuvor kaum geregt. Er starrte nach vorne, wendete den Kopf nur hin
       und wieder leicht nach links. Hin zum Vorsitzenden Richter Norbert Sakuth.
       Der trägt gerade die Begründung des Urteils gegen ihn vor. Der
       Palästinenser wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
       
       Doch der Richter spricht Ahmad A. jetzt persönlich an. Der dreht seinen
       Kopf nun deutlich nach links. „Sie haben Ihre Tat bereut und sich
       entschuldigt. Wir hoffen, dass die Einsicht, Unrecht getan zu haben, nicht
       wieder nur eine Phase ist, sondern Grundlage für eine dauerhafte
       Entwicklung“, sagt Sakuth. A.s Kopf bewegt sich hoch und runter, so als
       wolle er sagen: „Ja, ich ändere mich.“
       
       Dass er es bereue, ändere jedoch nichts an der besonderen Schwere der
       Schuld, sagt Richter Sakuth. Die ist ausschlagend dafür, dass er nicht
       schon nach 15 Jahren entlassen werden kann. Stattdessen kann das
       Hanseatische Oberlandesgericht später entscheiden, wie viel länger Ahmad A.
       in Haft bleibt. Eine Sicherheitsverwahrung ist nicht vorgesehen.
       
       Der 27-Jährige hatte im vergangenen Juli einen Menschen mit einem
       Küchenmesser in einem Supermarkt im Hamburger Stadtteil Barmbek erstochen
       und sechs weitere zum Teil lebensgefährlich verletzt. Passanten
       überwältigten ihn, nachdem sie mit Stühlen und Stangen auf ihn
       eingeschlagen hatten. Sie waren wie er zum Teil Muslime. „Menschen
       verschiedener Glaubensrichtungen haben sich ihm entgegengestellt und die
       Opfer versorgt. Das sollte in Erinnerung bleiben“, sagt der Richter. Daher
       sei das Ziel, unsere Gesellschaft zu spalten, fehlgeschlagen.
       
       A. hatte bei seiner Tat immer wieder „Allahu akbar“ gerufen. Gegenüber der
       Polizei gab er sich als Terrorist aus. Auch wenn er Videos des „Islamischen
       Staates“ schaute, handelte er als Einzeltäter. Darin waren sich Richter,
       Staatsanwaltschaft und Verteidigung einig. Der Angeklagte hört dies alles
       über Kopfhörer. Ein Dolmetscher sitzt neben ihm und übersetzt.
       
       Er, der nach seinem Abitur 2008 in Gaza nach Europa und im März 2015 nach
       Deutschland kam, wollte möglichst viele Christen töten. A. wählte Menschen
       aus, die deutsch aussahen. Der abgelehnte, jedoch noch nicht abgeschobene
       Asylbewerber wollte sich für das Unrecht gegenüber Muslimen in der Welt
       rächen.
       
       Dabei hatte er schon Abstand genommen von seinem Vorhaben an jenem Julitag.
       A. hatte das Messer-Regal im Supermarkt sechs Minuten lang umkreist und
       sich entschieden, zurück in seine Flüchtlingsunterkunft nach
       Hamburg-Langenhorn zu fahren. Er saß im Bus, stieg aber wieder aus und
       kehrte zurück. Der 50-Jährige, den er tötete, war gerade dabei, Waren in
       seinen Einkaufswagen zu legen.
       
       Nach 39 Minuten ist Schluss. A. nimmt den Kopfhörer ab, steht auf. Er kann
       innerhalb einer Woche Revision gegen das Urteil einlegen.
       
       2 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Schulte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA