# taz.de -- die dritte meinung: Sind die BürgerInnen konstruktiv-radikaler als eine Groko, fragt der Sozialwissenschaftler Peter Grottian
       
       Über den Groko-Verhandlungen liegt ein eigenartiger Mehltau. Die
       Bevölkerung hat eigentlich nur die Themen Flüchtlingspolitik und
       Bürgerversicherung wahrgenommen. Alle anderen Politikfelder laufen unter
       „nicht relevant“. Die Stimmung im Wahlvolk ist ungefähr: Es ist ja eine
       Zumutung etwas zu erwarten, und wir hätten ja doch ein paar spannendere und
       vor allem mutigere Projekte. Könnte es sein, dass die Bürger*innen
       konstruktiv-radikaler sind als die verzagten und taktierenden Koalitionäre
       in spe?
       
       Die Bevölkerung ist kecker als man denkt. So wollen laut infratest dimap 57
       Prozent der Bundesbürger, dass die Amtszeiten der Bundeskanzler auf zwei
       bis drei Wahlperioden beschränkt werden sollte – eine verpackte
       Rücktrittsaufforderung zum freiwilligen Rückzug von Angela Merkel. Und der
       Frust des Merkel-Stillstands sitzt tief. Die Bürger*innen würden das
       Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat wohl sofort verbieten (86 Prozent) und
       82 Prozent würden den Mindestlohn ab 2019 auf 12 Euro anheben. Und die
       alltäglich brennenden Probleme junger Familien mit Kindern führen zu der
       selbst Manuela Schwesig (SPD) überflügelnden Forderung, jungen Müttern und
       Vätern eine 30-Stunden-Woche ohne Lohnverlust einzuräumen. Und zur
       Verkehrswende gestatten sich die Bürger*innen, radikal zu denken: 71
       Prozent fordern angesichts von Staus, Lärm, Abgasskandalen, den
       öffentlichen Personennahverkehr zum Nulltarif anzubieten.
       
       Natürlich gibt es auch Befunde, die hochgeschriebene Solidarität nicht
       belegen. 100 Euro mehr Hartz IV wollen die Bürger*innen mit 47 Prozent
       nicht zugestehen. Da sitzen Vorurteile und eigene Beobachtungen tief – und
       der eigene schmale Geldbeutel.
       
       Liebe Koalitionäre, die Logik ist ja nachvollziehbar, keine neuen Fässer in
       Milliardenbereichen aufzumachen. Aber die Kritik muss erlaubt sein,
       spannende und bürgernahe Projekte noch nicht einmal verhandelt zu haben.
       Über Autoprämien rauchen die Köpfe, aber über Elektrofahrradprämien oder
       eine Halbierung der Bahntarife wird noch nicht einmal nachgedacht.
       
       5 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Grottian
       
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