# taz.de -- Ein Euro für einen Tag im Knast
       
       > FDP will Justizopfern in Niedersachsen helfen
       
       Von Andrea Scharpen
       
       Job weg, Wohnung weg, Skepsis im Freundeskreis: Hat er es vielleicht doch
       getan? Es kann schwierig sein, wieder ins alte Leben hineinzukommen, wenn
       man unschuldig im Gefängnis saß. In Niedersachsen ist das im vergangenen
       Jahr 54 Menschen passiert. Die meisten der unschuldig Inhaftierten, nämlich
       51 Menschen, saßen in Untersuchungshaft. „Sie werden dann von heute auf
       morgen entlassen“, sagt Marco Genthe von der FDP-Fraktion in Niedersachsen.
       „Die Unterstützungsangebote fehlen.“
       
       Während Straftäter bereits während der Haft auf ihre Entlassung vorbereitet
       würden, eine Wohnung und einen Job suchen könnten, gebe es für unschuldig
       Inhaftierte keine eigenen Strukturen, kritisiert Genthe. „Es müsste eine
       Anlaufstelle geben oder einen Ombudsmann.“ Der könnte die Betroffenen bei
       der Frage nach Schadensersatz beraten und ihnen psychologische
       Unterstützung vermitteln. „Der Druck ist im Gefängnis höher, wenn man weiß,
       dass man es nicht war“, sagt Genthe.
       
       Der Antrag der FDP wurde am Donnerstag jedoch vom Landtag erst einmal zur
       Beratung in den zuständigen Ausschuss verwiesen. Das Justizministerium wies
       auf Anfrage der taz darauf hin, dass es in ganz Deutschland bisher keine
       gesonderten Anlaufstellen für Justizopfer gibt. Sie könnten aber „die
       üblichen Hilfen zur Entlassungsvorbereitung erhalten“, sagt ein
       Ministeriumssprecher. Die Ministerin Barbara Havliza (CDU) äußerte sich in
       der Landtagsdebatte nicht zu dem Thema.
       
       „Das hat mich sehr geärgert. Sie hätte sagen müssen, was sie jetzt vorhat“,
       sagt FDP-Mann Genthe. „Solche Unterstützungsangebote könnte Niedersachsen
       sofort einführen.“ Laut dem Ministerium will Havliza jedoch erst einen
       Gesetzesvorschlag aus dem Bundesjustizministerium in Berlin abwarten. Auch
       dort wird über eine Erhöhung der Haftentschädigung und eine bessere
       Unterstützung diskutiert.
       
       Auch der SPD-Abgeordnete Sebastian Zinke kritisiert den Zeitpunkt des
       FDP-Vorschlags. Nachholbedarf sieht aber auch er: „Im schlimmsten Fall
       verliert jemand, der verurteilt worden ist, seinen Platz in der
       Gesellschaft.“ Es müsse darüber gesprochen werden, wie eine Entschuldigung
       des Staates aussehen könne.
       
       Die FDP will hier auch beim Geld ansetzen. Die bisherigen 25 Euro für einen
       Tag unrechtmäßiger Haft reichten als Wiedergutmachung nicht aus. „Das ist
       etwa ein Euro pro Stunde hinter Gittern. Viel zu wenig“, sagt Genthe. Der
       Staat müsse seiner Verantwortung gegenüber unschuldig Inhaftierten
       nachkommen. „Abwarten hilft den Betroffenen nicht.“
       
       27 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Scharpen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA