# taz.de -- Philipp EinsUnter Leuten: Berlin-Charlottenburg und die Kunst des Mixens
       
       Im Biertrinken bin ich Profi. Mit Rotwein kann ich auch gut. Nur den Reiz
       von Cocktails habe ich nie begriffen. Diese bunten Mixgetränke sind mir
       entweder zu süß, zu sauer oder zu cremig. Dabei kann ein guter Drink mehr
       sein als ein säuerlich-verwässerter Caipirinha oder ein zuckersüßer Mai Tai
       mit knallpinkem Papierschirmchen als Deko. Wie ich an einem grauen
       Nachmittag im Berliner Stadtteil Charlottenburg erfahre.
       
       Ich sitze in einem rostbraunen Ledersessel in der Bar am Steinplatz,
       gelegen zwischen Hardenbergstraße und Kurfürstendamm. 2018 wurde der Laden
       zum zweiten Mal in Folge zur Hotelbar des Jahres gekürt. Einer Hotelbar,
       von der es heißt, dass sie Berlin Besucher und Anwohner gleichermaßen
       anzieht. Davon merke ich nichts, ich bin der einzige Gast. Ein Blick zum
       Tresen. Edle Stehhocker, ein Regal mit gut sortiertem Spirituosensortiment.
       Statt der üblichen Fahrstuhlmusik legt sich eine bedrückende Stille über
       den leeren Saal mit dem gefliesten Marmorboden.
       
       Eine Schwingtür klappt auf, und vor mir steht Christian Gentemann. Der
       32-Jährige ist Chef der Bar am Steinplatz. Ein freundlicher, eher leiser
       Typ mit Dreitagebart und dunklem Pullover. Er setzt sich zu mir. Wie wird
       man denn Barkeeper in einer der besten Bars Deutschlands?
       
       Lange Geschichte, sagt Christian. Er machte eine Ausbildung zum
       Hotelfachmann. „Eines Tages hatte ich dann einen Aida-Katalog in der Hand
       und dachte: Auf so einem Schiff zu arbeiten, das wäre doch was.“ Drei Jahre
       lang verbrachte er als Barkeeper auf einem Kreuzfahrtschiff, er bereiste
       die Karibik und Mittelamerika und begann mit allerhand Zutaten zu
       experimentieren. „Wer sich für Drinks interessiert, braucht eine
       Leidenschaft für Essen und Trinken.“
       
       Fürs Trinken – na klar. Aber auch fürs Essen? „Unbedingt“, sagt Christian.
       „Ich hab mal einen Rote-Bete-Ananas-Salat gegessen – und daraus ist dann
       ein Drink entstanden.“ Eine Kombination mit Minze und Doppelwacholder.
       Viele seiner Rezepte haben ihren Ursprung im Essen. Das wahre Geheimnis von
       Christian Gentemann aber ist: Cocktails müssen einfach sein. „Bei mir wird
       es aber nie Drinks geben, die mehr als drei Aromen kombinieren“, sagt
       Christian. Mehr kann man nicht herausschmecken.
       
       Vielleicht kann Christian ja einen Cocktail empfehlen, der auch mir
       schmeckt. „Am frühen Abend gern was Bitteres, so in Richtung Negroni“, sagt
       er. Den nehme ich. Und bekomme einen orange gefärbten Cocktail mit Campari
       und Wermut. Er schmeckt angenehm trocken – und vor allem nicht nach
       Kopfschmerzen am nächsten Morgen. Der Negroni und ich, das könnte der
       Beginn einer echten Freundschaft werden.
       
       13 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Eins
       
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