# taz.de -- Wer da jetzt stirbt, bleibt unklar
       
       > Der Acker Stadt Palast in Berlin Mitte wird fünf Jahre alt. Gefeiert wird
       > damit, was das Haus am besten kann: mit einer Reihe zum zeitgenössischen
       > Tanz, Improvisation, Echtzeitmusik
       
       Vvon Daphne Weber
       
       Es gibt sie noch, die kleinen gemütlich-intimen Hinterhoftheater in Berlin.
       Bereits vor der Vorstellung trifft sich das multinationale und
       vielsprachige Publikum im Hinterhof, der zur kleinen Bühne Acker Stadt
       Palast in Berlin Mitte führt. Bierbänke sind aufgestellt, in einer Schale
       liegt Holz zum Feuermachen, innen stehen gemütliche Sofas und weiches,
       gedämpftes Licht erhellt den Raum.
       
       Hinter der Bar steht René Ritterbusch, Pressemann und Barkeeper, eine
       eindrückliche Erscheinung. Er kuratiert außerdem die Reihe Politisches
       Theater, die sich in Tradition des linken Projektes sieht, zu dem sich der
       Acker Stadt Palast rechnet. Im selben Haus in der Ackerstraße befindet sich
       der Schokoladen, in dem regelmäßig Konzerte stattfinden.
       
       Im Hinterhaus wird derweil vor allem zeitgenössischer Tanz, Performance und
       neue Musik geboten. Intendantin Anete Colacioppo führt das Haus nun ins
       fünfjährige Jubiläum. Begangen wird es mit einer Reihe für experimentellen
       und zeitgenössischen Tanz. Die Intendantin ist bemüht, Verbindungen
       zwischen Künstler*innen unterschiedlicher Sparten herzustellen. Dabei sieht
       sie sich selbst lediglich als die, die Strukturen ermöglicht. „Ich versuche
       mich nicht in ästhetische Fragen einzumischen. Nicht ich definiere, was
       zeitgenössischer Tanz ist, die Künstler tun es.“
       
       ## Das Unwägbare zulassen
       
       Diese prinzipielle Offenheit des Leitungsteams ist eine große Stärke. Sie
       versuchen, nicht vorab zu urteilen, sondern verschiedenste ästhetische
       Entwürfe nebeneinander zu stellen. So bleibt jenseits von Hyperperfektion
       Platz für Improvisation und spontane Darbietungen, die Unwägbarkeiten
       zulassen. Das Tanzstück „Impromtu“ von Marion Sparber zum Beispiel ist eine
       Improvisation über das Zwischenmenschliche. Rangeleien, Spasmen, Gehüpfe,
       Aneinanderklammern, gemeinsame Kontaktimpro, alles dabei. Manchmal scheint
       es, dass die Tänzer selbst nicht genau wissen, wie sie mit einer Situation
       umgehen sollen, bisweilen schmunzeln sie, die Improvisation und die
       Spontaneität wird sichtbar.
       
       Neben dem Tanz ist der Acker Stadt Palast eine Plattform für die lebendige
       Echtzeitmusikszene Berlins. Davon gibt es auch in der Tanzreihe zwei
       Kostproben, in denen jeweils ein Musiker und eine Tänzer*in zusammen
       arbeiten. In dem Stück „Trans_Niagara“ windet sich der Tänzer Jonathan
       Schatz zu einer ohrenbetäubender Geräuschkulisse des Komponisten Kasper T.
       Toeplitz auf dem Boden. Toeplitz steht breitbeinig hinter seinem Laptop
       und produziert eine Mischung aus Rauschen, Quietschen und Dronesound. „Ich
       versuche, diesen Noise zu verkörpern und zu spüren“, sagt Schatz, „es ist
       mehr eine Performance als ein klassischer Tanz.“
       
       Beim ersten Hören klingt die Musik von Dror Feilers Stück „Questions &
       Stones“ ähnlich. Zum Noise steht Erik Drescher mit einer Querflöte in der
       Bühnenmitte und bläst ein wildes Solo. Takako Suzuki, eine
       Sasha-Waltz-Tänzerin, zerrt über den Zeitraum des Musikstücks Latten,
       Gerümpel und ein Klavier aus dem geöffneten Lager seitlich der Bühne
       heraus. Sie platziert die Gegenstände grafisch anregend im Raum, verausgabt
       sich bei dieser Tätigkeit immer mehr. Das Programmheft stellt dies in den
       Kontext des Agonieröchelns und des Verhältnisses moderner Musik zur
       bürgerlichen Gesellschaft. Wer da jetzt stirbt genau, bleibt unklar.
       
       Der Acker Stadt Palast ist auf jeden Fall sehr lebendig. Die
       Zuschauer*innen wuseln umher, kommen mit den Künstler*innen ins Gespräch,
       sitzen an derselben Theke drinnen, rauchen am selben Aschenbecher draußen.
       Getrennte Künstler- und Besuchereingänge gibt es nicht. Noch so eine
       Sache, die Anete Colacioppo aufbrechen möchte. Während das große Theater
       noch davon redet, Grenzen zwischen Publikum und Kunst aufbrechen zu wollen,
       wird es im Hinterhof in der Ackerstraße einfach praktiziert.
       
       22 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daphne Weber
       
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