# taz.de -- petition der woche: Über 90.000 Menschen fordern: Gerechtigkeit für Oury Jalloh!
       
       Voller Empörung wandte sich Mouctar Ouldadah Bah an die Öffentlichkeit. „Es
       kann nicht sein, dass die beteiligten Polizisten ohne Strafe davonkommen!“,
       schrieb er. Eine von ihm initiierte Petition soll für Aufklärung in einem
       der umstrittensten Fälle der jüngeren Justizgeschichte sorgen.
       
       Rückblick: Am 6. Januar 2005 wurde ein Freund von Mouctar Ouldadah Bah in
       Dessau festgenommen. Sein Name: Oury Jalloh. Zuvor soll der aus Sierra
       Leone stammende Asylbewerber unter Alkoholeinfluss zwei Frauen belästigt
       haben. Daraufhin wurde er in eine Gefängniszelle gebracht. Am nächsten Tag
       fand man dort jedoch keinen ausgenüchterten Mann, sondern eine verkohlte
       Leiche. Was war geschehen? Diese Frage sollte Gerichte, Gutachter und linke
       Aktivisten mehr als 12 Jahre lang beschäftigen.
       
       Die Polizei kam damals zu dem Ergebnis, dass Oury Jalloh sich selbst
       angezündet hatte. Dazu habe er die Matratze, auf der er lag, aufgerissen
       und die Füllung mit einem Feuerzeug in Brand gesetzt. „Daran hatten wir von
       Anfang an Zweifel, die sich dann erhärteten“, sagt Nadine Saeed von der
       Initiative Break the Silence. Erst zwei Monate nach der Tat kam heraus,
       dass Oury Jalloh die ganze Zeit gefesselt war. Eine von den Aktivisten in
       Auftrag gegebene Autopsie stellte dann fest, dass er diverse Brüche hatte.
       Trotzdem scheiterten alle darauf folgenden Gerichtsprozesse daran, den Fall
       zu klären. Einzig das Landgericht Magdeburg verurteilte den damaligen
       Dienstgruppenleiter der Polizei Dessau zu einer Geldstrafe.
       
       Doch in diesem Jahr erlebte der Justizfall einen Wendepunkt. Ein neues
       Gutachten der Staatsanwaltschaft Dessau belegt: Oury Jalloh wurde mit hoher
       Wahrscheinlichkeit ermordet. Er sei vermutlich bei Brandbeginn komplett
       handlungsunfähig oder sogar bereits tot gewesen. Der Zustand der Zelle und
       des Leichnams nach dem Brand lassen sich nicht ohne den Einsatz von
       Brandbeschleunigern erklären. Eine Selbstanzündung ist damit so gut wie
       ausgeschlossen.
       
       Erstmals seit 12 Jahren musste die Dessauer Staatsanwaltschaft daraufhin
       Ermittlungsverfahren gegen tatverdächtige Polizisten einleiten. Trotzdem
       wurde das Verfahren an die Staatsanwaltschaft in Halle abgegeben und im
       Oktober eingestellt. Bei der Untersuchung hätten sich „keine ausreichenden
       tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der
       Brandlegung“ ergeben, so die offizielle Stellungnahme. „Das ist ein
       handfester Skandal“, sagt Nadine Saeed. Erst ein Bericht des ARD-Magazins
       „Monitor“ hatte Inhalte des Gutachtens vergangene Woche an die
       Öffentlichkeit gebracht.
       
       Kurz danach startete Mouctar Ouldadah Bah gemeinsam mit Break the Silence
       und der Familie Jalloh eine Petition. „Wir fordern die Staatsanwaltschaft
       Halle, Justizministerin Anne-Marie Keding und den Bundesjustizminister dazu
       auf, nun endlich für Gerechtigkeit zu sorgen!“, schrieb er. Bei
       Redaktionsschluss unterstützten über 90.000 Menschen den Aufruf zur
       Wiederaufnahme von Ermittlungen.
       
       In Deutschland werden nach Angaben des Statistischen Bundesamts 92 Prozent
       der Ermittlungen gegen Polizisten eingestellt. 12 Jahre nach der Tat soll
       das Engagement von Nadine Saeed und Mouctar Ouldadah Bah nun dazu führen,
       dass Oury Jalloh kein weiterer Fall dieser Statistik wird.
       
       David Gutensohn
       
       25 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Gutensohn
       
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