# taz.de -- Katalonien vs. Spanien: Nachgedacht und Nein gesagt
       
       > Regierungschef Puigdemont lässt die Welt stundenlang auf seine Erklärung
       > warten. Entgegen allen Erwartungen lehnt er Neuwahlen ab.
       
 (IMG) Bild: Was wird er wohl verkünden? Carles Puigdemont
       
       Barcelona taz | Über Stunden ließ er die Welt warten – um dann alle
       Beobachter des Streits um die katalanische Unabhängigkeit in weitere
       Verwirrung zu stürzen: Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont hat am
       späten Donnerstagabend die erwarteten Neuwahlen abgelehnt. Er habe über die
       Möglichkeit von Neuwahlen nachgedacht, sich dann aber dagegen entschieden,
       sagte Puigdemont in Barcelona. Er werde seinen Plan für eine Unabhängigkeit
       der Region weiter verfolgen, erklärte Puigdemont stattdessen.
       
       Die spanische Zentralregierung reagierte nur wenig später und bekräftigte
       ihre „gesetzliche Verpflichtung“, den Unabhängigkeitsplänen in der Region
       ein Ende zu setzen. „Keine Regierung kann akzeptieren, dass eine
       fortschrittliche Demokratie in einem Teil ihres Landes nicht vollständig
       gilt. Und das ist in Katalonien der Fall“, sagte die stellvertretende
       Ministerpräsidentin Soraya Saénz de Santamaría am Donnerstagabend in
       Madrid. Man werde nun dafür sorgen, „dass das Gesetz (in Katalonien)
       respektiert wird“, sagte Saénz de Santamaría.
       
       Bis zu Puigdemonts Rede am späten Nachmittag hatten vor allem katalanische
       Medien übereinstimmend berichtet, der Regierungschef werde Neuwahlen
       ansetzen, um den angekündigten Zwangsmaßnahmen durch die spanische
       Regierung unter dem konservativen Ministerpräsident Mariano Rajoy zu
       entgehen. Der hatte am vergangenen Wochenende erklärt, die katalanische
       Autonomieregierung im Rahmen des Verfassungsartikels 155 zu entmachten.
       
       Die Medienberichte vom Morgen, Puigdemont setze auf Neuwahlen, hatte die
       Unabhängigkeitsbefürworter in Rage versetzt: „Verräter“ schalten die
       Demonstranten Puigdemont, als sie heute beim katalonienweiten Schüler- und
       Studentenstreik zur Mittagszeit durch Barcelona zogen. Sie hatten darauf
       gehofft, dass er am frühen Nachmittag die Unabhängigkeit erklären würde,
       und ließen dies auf Schildern mit Aufschriften wie „Keine Neuwahlen. Kein
       155. Republik jetzt!“ wissen. Vor dem Regierungspalast hatten Tausende
       Menschen für die Unabhängigkeit und gegen den „Verrat“ demonstriert.
       
       Jedoch: Der mit Spannung erwartete Termin von Puigdemonts Erklärung um
       13.30 Uhr kam, wurde aber verschoben – und dann abgesagt, um schließlich
       auf 17 Uhr verlegt zu werden.
       
       ## Abgeschwächter Paragraf 155?
       
       Der katalanische Regierungschef war in den letzten Tagen immer stärker
       unter Druck derer geraten, die eine einseitige Unabhängigkeitserklärung
       ablehnen. Neben Vertretern der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und
       Unternehmern wurden auch immer mehr Stimmen aus den Reihen seiner
       Demokratisch-Europäischen Partei Kataloniens (PDeCat) laut. Die PDeCat
       stellt innerhalb Puigdemonts Wahlbündnis für die Unabhängigkeit „Gemeinsam
       für das Ja“ (JxSí) den moderaten Flügel. Selbst Regierungsmitglieder
       wollten zum Schluss von einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung nichts
       mehr wissen. Puigdemont selbst hätte ein Verfahren wegen „Rebellion“
       gedroht, so kündigte die spanische Generalstaatsanwaltschaft zu Beginn der
       Woche an. Darauf stehen bis zu 30 Jahre Gefängnis.
       
       In den vergangenen Tagen hatte Ministerpräsident Rajoy jedoch darauf
       bestanden, auch im Falle von Neuwahlen in die Regierungsgeschäfte
       Kataloniens einzugreifen. So wollte er sicherstellen, dass die
       Unabhängigkeitsbefürworter tatsächlich wieder den Weg zurück zur
       verfassungsmäßigen Ordnung nehmen. Es war von einem abgeschwächten „155“
       die Rede.
       
       Am Abend sollte die mit Spannung erwartete Sitzung des katalanischen
       Parlaments abgehalten werden. Es wurde in den vergangenen Tagen nicht
       ausgeschlossen, dass dabei die Unabhängigkeit erklärt werden könnte.
       Vermutlich wird das Parlament seine Sitzung am Freitag fortsetzen.
       
       Am Freitag tritt auch der spanische Senat zusammen, der die Maßnahmen gegen
       die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen billigen sollte. Sie sehen
       unter anderem vor, die katalanische Polizei, den Bildungsbereich und das
       öffentliche Fernsehen unter Madrids Aufsicht zu stellen. (mit dpa)
       
       26 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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