# taz.de -- Berühmter DDR-Rest: Wem gehört die Mauer?
       
       > Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will die East Side Gallery offenbar
       > loswerden. Es gibt viele Interessenten. Der Senat präferiert die Stiftung
       > Berliner Mauer.
       
 (IMG) Bild: Diese Mauer stand einmal in einem anderen Land: East Side Gallery an der Spree
       
       „Die Mauer gehört uns!“ Nicht jeder formulierte es so klar und rabiat wie
       ein Vertreter der Verfolgten des DDR-Regimes in seinem Zwischenruf. Doch im
       Grunde ging es am letzten Freitag doch vielen darum, ihren Anspruch auf die
       East Side Gallery herauszukehren – oder sich zumindest zum Sprecher der
       „richtigen Interessen“ am längsten verbliebenen Stück originaler Grenzmauer
       aus DDR-Zeiten zu machen.
       
       Der Bezirk, in dem die seit 1990 von Künstlern bemalte Mauer liegt, hatte
       zu einem „Hearing“ ins Friedrichshain-Kreuzberg-Museum geladen, um die
       Ansprüche der vielen Initiativen, Bündnisse und beteiligten Künstler mit
       den Interessen der Politik und den Obliegenheiten der Verwaltung
       abzugleichen. Ziel: ein „umfassendes Konzept für die Zukunft dieses
       einzigartigen Denkmals und Ortes anzustoßen“, wie es in der Einladung
       lautete.
       
       ## Entscheidung steht noch aus
       
       Die Zeit drängt. Inzwischen gibt es Pläne des Senats, das Areal der East
       Side Gallery der Stiftung Berliner Mauer unentgeltlich als Eigentum zu
       übertragen. Die Stiftung des öffentlichen Rechts, die bereits die
       Gedenkstätte zur Berliner Mauer an der Bernauer Straße und die
       Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde betreut, war in Person ihres
       Direktors Axel Klausmeier erschienen.
       
       Klausmeier betonte zwar, dass eine Entscheidung für die Übereignung der
       East Side Gallery an seine Stiftung noch nicht getroffen sei, aber schon
       „haushalterische Mittel angemeldet“ wären, mit denen das Land Berlin die
       zusätzlichen Ausgaben seines Hauses für das Mauergelände berücksichtigen
       will. Frühestens ab Dezember könnten dann konkrete Schritte für eine
       Übertragung unternommen werden. Wobei zuvor allerdings noch der Rat der
       Bürgermeister der Bezirke angehört werden muss.
       
       Womit der Ball dann wieder in Friedrichshain-Kreuzberg landen könnte. Der
       Bezirk fühlt sich mit den Kosten für die Pflege und mit der Verantwortung
       für dieses „Symbol der Freiheit“ überfordert und möchte die East Side
       Gallery offenbar gerne loswerden. Nicht allerdings ohne selbst Wünsche
       anzumelden, wie es mit dem Ort weitergehen soll. „Wichtig“, so erklärte es
       Clara Hermann als Bezirksstadträtin für Kultur in Friedrichshain-Kreuzberg,
       „sind alle Facetten“ des Denkmals.
       
       Das aber beschreibt zugleich die Schwierigkeiten mit der East Side Gallery.
       Für die einen ist sie ein Ort der Mahnung an den Schrecken des Grenzregimes
       und die Teilung im Kalten Krieg. Für die anderen ein „Denkmal an die
       Freude“, was aus der Überwindung der Teilung resultierte. Und mit diesem
       Doppelcharakter wird die Frage „Wie umgehen mit der Mauer?“ zum Problem.
       
       Wenn Alexander Arnold von der Gemeinschaft der Verfolgten des DDR-Regimes
       die Mauer für sich und seine Leidensgenossen reklamiert – „und das sind
       Millionen“, dann heißt das beispielsweise: „Auf keinen Fall mit Weiß
       anfangen, wie in der DDR.“ Gemeint ist die Gestaltung der dem einstigen
       Todesstreifen zugewandten Seite der Mauer, die zu DDR-Zeiten weiß
       gestrichen war, damit Flüchtlinge als Abschussziel für die Grenztruppen
       besser erkennbar waren. Arnold wünscht sich stattdessen lieber etwas wie
       das, was derzeit der Künstler Stefan Roloff mit seiner „West Side Gallery“
       bewerkstelligt. Es sind Bilder und Geschichten aus dem DDR-Alltag mit der
       Mauer auf Papier, mit denen die unbemalte Mauerseite Richtung Spree
       tapeziert ist.
       
       Eine derartige Installation ist aber schlecht mit dem Denkmalschutz in
       Einklang zu bringen, der eben den historischen Zustand der Grenzanlage –
       inklusive der weißen Mauerinnenseite – erhalten und erlebbar wissen möchte.
       Landeskonservator Jörg Haspel legte dar, dass die East Side Gallery bereits
       seit 1991 in die Berliner Denkmalliste aufgenommen ist und seit 2014 ein
       Denkmalpflegeplan existiert. Das heißt, dass jede Veränderung an der Mauer
       genehmigungspflichtig ist.
       
       Daran erinnerte im Übrigen auch Axel Klausmeier von der Stiftung Berliner
       Mauer noch einmal, der den verschiedenen Künstlern und Künstlerinitiativen
       schon jetzt ihre Grenzen aufzeigte, falls die sich neben der Bildseite von
       1990 auch die Innenseite und den ehemaligen Todesstreifen zu künstlerischen
       Zwecken aneignen wollten. Klausmeier formulierte bereits wie der zukünftige
       Eigentümer des Areals. Sein unmissverständliches Statement lautete:
       „Eigentumsrechte sind nicht verhandelbar.“ Mit anderen Worten:
       Höchstwahrscheinlich wird seine Stiftung darüber bestimmen, wie es mit der
       East Side Gallery weitergeht.
       
       ## Einfach überstreichen
       
       Klausmeier hatte auch auf die Frage nach dem Weiß auf der Innenseite der
       Mauer bereits eine Antwort. Es gäbe bereits Vorsorge dafür, dass diese
       Seite „zweimal die Woche nachgeweißelt“ werde. Konziliant zeigte sich der
       Gestrenge, an Gesetz und Stiftungsauftrag zu politischer Bildung gebundene
       Klausmeier nur in der Aussage, er nehme die Aussagen des Hearings
       „bereichert“ auf.
       
       Forderungen nach „Rückbau“ des bestehenden Hochhauses auf dem Mauerstreifen
       und Widerruf der vorliegenden Baugenehmigung für einen Hotel‑ und
       Wohnriegel auf dem Gelände, wie sie von Vertretern der alten Initiative
       „Media Spree versenken“ und manchen Künstlern auf dem Hearing noch einmal
       vorgebracht wurden, scheinen derzeit jedenfalls ziemlich utopisch zu sein.
       An die „theoretisch mögliche“ Enteignung und Entschädigung der Investoren
       erinnerte auch Florian Schmidt als Stadtrat für Stadtplanung im Bezirk.
       Doch der Debatte fehle es dazu an „Stoßkraft“. Immerhin: Offenbar sind
       weitere Diskussionen zur East Side Gallery von Seiten des Bezirks geplant.
       
       15 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ronald Berg
       
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