# taz.de -- petition der woche: Viel Aufregung um einbisschen nackte Brust
       
       Johanna Spankes Geschichte taugt als Lehrstück in Sachen Erzeugung eines
       Politikums. Für vollkommen selbstverständlich hielt sie es, ihr Kind in der
       Öffentlichkeit zu stillen. Umso erstaunter war sie, als ihr bei einem
       Cafébesuch im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg von Personal und Inhaber
       mitgeteilt wurde, Stillen im Gastbereich sei nicht erwünscht. In einer
       Anfang 2016 gestarteten Petition forderte sie daraufhin ein Gesetz zum
       Schutz des Stillens in der Öffentlichkeit.
       
       Für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist der Fall klar: Das
       Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt stillende Mütter vor
       Diskriminierung in privaten und halböffentlichen Räumen. Doch nicht nur
       Spanke erlebte derartige Zwischenfälle, bei Facebook berichten etliche
       Frauen von ähnlichen Erfahrungen. 23.000 Unterzeichner hat ihre Petition
       bereits.
       
       In der Presse und im Netz sorgte die Geschichte für Aufruhr. Der Wirt
       bezichtigte Spanke der Falschdarstellung, er habe sie lediglich gebeten,
       sich nicht direkt am Fenster zu entblößen. Ein gefundenes Fressen für die,
       die darin ein Beispiel des unaufhaltsamen Prenzlberger Supermuttitums
       sehen.
       
       Albern findet Spanke diesen Aufschrei über „sich entblößende Mütter“ noch
       immer. Eine gesellschaftliche Debatte blieb aus. „Die Diskussion dreht sich
       im Kreis.“ Für die einen geht es um eine Selbstverständlichkeit, für andere
       um eine „Stilllobby“, von der sich manche unterdrückt fühlen, sagt Spanke.
       Denn besonders häufig sind es ältere Frauen und Mütter, die Kritik am
       Stillwunsch in der Öffentlichkeit äußern.
       
       Eine Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung unterstreicht die
       Bedeutung gesellschaftlicher Akzeptanz für das Thema. Immerhin 10 Prozent
       der befragten Mütter gaben an, der Diskurs rund um das Stillen in der
       Öffentlichkeit sei ein Grund für ihr Abstillen gewesen. Und das, obwohl
       sich Ministerium, Weltgesundheitsorganisation und Kinderärzte einig sind,
       dass Babys mindestens bis Ende des sechsten Monats ausschließlich gestillt
       werden sollten.
       
       Im Juli hat Spanke die Unterschriften beim Ministerium für Ernährung und
       Landwirtschaft eingereicht. Schnelle Fortschritte erwartet sie jedoch
       nicht; das Ministerium ließ bereits im Juni 2017 verlauten, „in einer
       aufgeklärten und toleranten Gesellschaft sollte das Stillen in der
       Öffentlichkeit idealerweise kein Problem darstellen“. Ein explizites Gesetz
       zum Schutz dieses Rechts hält man im Ministerium jedoch für „nicht
       zielführend“.
       
       Zur Weltstillwoche vom 2. bis 8. Oktober hat das Ministerium nun ein neues
       Projekt zur Untersuchung der Einstellungen zum Thema Stillen, insbesondere
       auch in den Medien, ins Leben gerufen. Ob Informationsmaßnahmen, wie das
       Ministerium sie vorschlägt, jedoch diejenigen erreichen, die online über
       Prenzlbergmuttis schimpfen und im Café stillende Mütter anblaffen, scheint
       fraglich.
       
       Johanna Spanke lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Irgendwann ist es
       auch genug.“ Sie hat ihren Teil getan, will dranbleiben. Als berufstätige
       Mutter ist sie derweil aber mit anderen Themen beschäftigt. Neuen Müttern
       rät sie, das Thema Stillen im Alltag gar nicht mehr zur Diskussion zu
       stellen. Es ist schließlich ihr gutes Recht!
       
       Lisa Dittmer
       
       7 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Dittmer
       
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