# taz.de -- Philipp EinsUnter Leuten: In Syrakus, Sizilien: „Ich bin enttäuscht von Europa“
       
       Es ist früher Abend. In der Küche eines Pfarrhauses in der sizilianischen
       Stadt Syrakus mischt sich der Duft angebratener Zwiebeln mit dem muffigen
       Geruch aus den Fluren und Zimmern. Während der Priester Padre Carlo den
       Abendgottesdienst in der Kirche abhält, bereiten drei Männer das Abendessen
       vor. Der 19-jährige Abdou Bah aus Gambia ist einer von ihnen.
       
       Ich möchte ihn interviewen, seine Geschichte erzählen. Abdou trägt ein
       ärmelloses Shirt, sein krauses Haar hat er an den Seiten blond gefärbt. Er
       hackt rote Paprika. Zusammen mit Tunfisch und Reis wird daraus eine
       Mahlzeit für 25 Personen. So viele Flüchtlinge leben hier gerade in der
       Wohnung von Padre Carlo. Die meisten von ihnen haben keine Papiere. Eine
       beschwerliche Reise liegt hinter ihnen, voll Hoffnung auf ein besseres
       Leben in Europa. Erfüllt hat sich der Traum für Abdou nicht.
       
       „Ich dachte, es sei viel einfacher, in Europa einen Job zu finden“, erzählt
       er, während das Essen vor sich hin köchelt. „Dass ich die Möglichkeit haben
       würde, IT zu studieren.“ In Gambia hat er einen guten Schulabschluss
       gemacht. Die Familie war stolz auf ihn, legte ihr Geld zusammen, damit
       Abdou nach Europa geht.
       
       Vor anderthalb Jahren, im Dezember 2015, brach er auf. Er reiste durch
       Mali, Burkina Faso und Niger und schlug sich bis Libyen durch. Von dort aus
       gelang ihm die Flucht über das Mittelmeer. Asyl bekam er in Italien nicht.
       Gambia ist arm, aber friedlich. Weil er minderjährig war, durfte Abdou
       dennoch in Italien bleiben.
       
       Als er schließlich 18 Jahre alt wurde, half ihm dann keiner mehr. Einen
       Monat lang lebte Abdou auf der Straße, bevor er von Padre Carlo erfuhr. Er
       hat noch Glück gehabt. Seit Kurzem jobbt er in einer Pasticceria, einem
       Coffeeshop. Sechs Tage die Woche bereitet er Essen zu, nachts von drei bis
       neun Uhr morgens. Ohne Vertrag. Für 600 Euro im Monat. Den Großteil schickt
       er seiner Familie in Gambia. Sie soll glauben, dass es ihm hier gut geht.
       
       „Ich bin enttäuscht von Europa“, sagt Abdou. Doch käme er mit leeren Händen
       nach Gambia zurück, würde ihn seine Familie verachten. „Das ist das
       Einzige, was mich hier hält“, sagt er. „Ich möchte nicht, dass jemand
       schlecht über mich denkt.“
       
       7 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Philipp Eins
       
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