# taz.de -- taz. thema : Spielend Sprachen lernen
       
       > Wortgewandt Das diesjährige Motto des Tages der freien Schulen lautet
       > „Sprachen öffnen die Welt“. Was das bedeutet und welche Wege dabei
       > eingeschlagen werden
       
 (IMG) Bild: Sprache wechseln, leicht gemacht: Was sagen andere dazu?
       
       Von Christine Berger
       
       „Let’s go Mama, ich hab Hunger“ ruft die achtjährige Lilly und zieht ihre
       Mutter von der Freundin weg, die diese soeben auf der Straße getroffen hat.
       Die Mutter spricht Englisch mit der Freundin. Lilly ist es gewöhnt, sich in
       zwei Sprachen zu bewegen ohne groß darüber nachzudenken. Kinder wie Lilly
       gibt es immer mehr in Berlin, weil Familien aus beruflichen Gründen aus dem
       Ausland nach Berlin ziehen, aber auch viele deutschsprachige Eltern
       wünschen, dass ihre Kinder von Anfang an in einer zweiten Sprache
       unterrichtet werden und daher ist die Nachfrage nach bilingualen
       Schulplätzen groß. Besonders Englisch ist beliebt, kein Wunder, gibt es
       doch zunehmend Jobs auch in Berlin, wo nur noch Englisch gesprochen wird,
       und die Kinder von heute sind die Berufstätigen von morgen. „Die Welt wird
       kleiner, immer mehr Welt kommt zu uns“, zieht Andreas Werner Bilanz. Er ist
       einer der Organisatoren des Tages der freien Schulen am 17. September, der
       sich in diesem Jahr dem Sprachunterricht widmet.
       
       „Sprachen öffnen Welten“ ist denn auch das Motto des diesjährigen Tages der
       offenen Tür, an dem sich zahlreiche Privatschulen beteiligen und einen
       Einblick ihn ihren fremdsprachlichen Unterricht geben. Besonders im Zentrum
       der Stadt gibt es viele Privatschulen, die rein auf Englisch unterrichten,
       die Kinder kommen aus der ganzen Welt, und die meisten Eltern sind in der
       Lage, viel Schulgeld zu bezahlen. „Wir sind eine hochmobile Gesellschaft,
       aber wichtig ist doch eine Mischung hinzukriegen,“ so Werner. Sprich, keine
       elitäre Schule für Kinder von Karrierenomaden, sondern eine Schule für
       alle. An Werners Schule, er ist geschäftsführender Direktor der Privaten
       Kant-Schulen, wird etwa ab der 1. Klasse zweisprachig Deutsch-Englisch
       unterrichtet, etliche Kinder sind deutscher Herkunft. Auch an der
       Phorms-Schule im Wedding ist Englisch von Anfang an in den meisten Fächern
       Unterrichtssprache, aber längst kommen nicht alle Kinder aus dem Ausland.
       
       Teamteaching, eine Form des Unterrichts, bei der Lerngruppen von mindestens
       zwei Lehrern betreut werden, eignet sich beim bilingualen Spracherwerb
       besonders gut. Die Kinder lernen während des Unterrichts nach der
       sogenannten Immersionsmethode (Immersion – eintauchen, Sprachbad) beide
       Sprachen. Jeweils ein Pädagoge spricht ausschließlich in seiner deutschen
       bzw. englischen Muttersprache. Die Kinder lernen so beide Sprachen in einem
       natürlichen Zusammenhang kennen.
       
       Auch bei der Waldorf-Schule Emil Molt in Zehlendorf spielt der Spracherwerb
       eine große Rolle. Hier werden Englisch oder Französisch ab der 1. Klasse
       unterrichtet, unter anderem in Theaterspiel und Erzählungen wird die
       Fremdsprache in den Schulalltag integriert. Wer sich danach für die
       waldorfpädagogische Berufsfachschule, die Emil Molt-Akademie, entscheidet,
       kann unter anderem Wirtschafts- und Sozialkunde auf Englisch belegen sowie
       die Fusionsküche kennenlernen und so nebenbei seine Sprachkenntnisse weiter
       vertiefen. Hier wie auch an vielen anderen freien Schulen funktioniert der
       Spracherwerb am besten durch die alltägliche Anwendung nicht nur im
       Fremdsprachenunterricht, sondern überall, wo im Schulalltag kommuniziert
       wird.
       
       „Am allerbesten wäre es, schon im Kindergarten mit Englisch zu beginnen“,
       sagt Andreas Rohde vom Englischen Seminar der Universität zu Köln. Er
       beschäftigt sich mit zweisprachigen Kindergärten und mit der Didaktik des
       Englischunterrichts in Grundschulen. Im Gegensatz zum gängigen
       Schulunterricht erleben die Kinder im bilingualen Kontext die neue Sprache
       in alltäglichen Situationen: etwa beim Frühstücken, Spielen oder Basteln.
       Sie lernen so ganz ohne Scheu, unbewusst und ungesteuert die fremde Sprache
       – wie ihre Muttersprache zuvor. In Deutschland ist das noch selten, und
       nach wie vor gibt es zu wenige Bildungseinrichtungen mit dem
       Immersionsansatz. Das Romain-Rolland Gymnasium in Berlin Reinickendorf etwa
       bietet Unterricht in Deutsch und Französisch an; im Detail bedeutet das,
       dass im bilingualen Zug Fächer wie Geografie, Geschichte und
       Politikwissenschaft auf Französisch unterrichtet werden. Die Abiturienten
       können neben dem deutschen auch das französische Abitur abschließen.
       
       Lilly, die so leicht von einer Sprache in die andere wechselt wie sie die
       Füße beim Rennen voreinander setzt, wird eines Tages vielleicht auf der
       ganzen Welt zu Hause sein, die Mehrsprachigkeit jedenfalls wird ihr dabei
       helfen. Das hat auch die EU-Administration erkannt. So lautet die
       sprachpolitische Empfehlung der Union, dass jeder Europäer drei Sprachen
       lernen soll, die Muttersprache und zwei weitere. Freie Schulen machen
       häufig vor, wie es geht.
       
       9 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christine Berger
       
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