# taz.de -- Muslime nach dem Anschlag in Barcelona: Umarmungen für den Frieden
       
       > Am Sonntagabend demonstrierten hunderte Muslime gegen Gewalt und Terror –
       > einem spanischen Rechtsextremen geht das nicht weit genug.
       
 (IMG) Bild: Eine Umarmung für mehr Liebe und Frieden
       
       Barcelona taz | Die beste Antwort auf islamistischen Terror passt auf einen
       bildschirmgroßen Pappkarton. „Ich bin Muslim und nicht Terrorist. Ich
       verteile Umarmungen aus Liebe und für Frieden“, steht in fünf Sprachen
       darauf. Drei Tage nach dem Terroranschlag von Barcelona steht Mohamed Saleh
       auf der „Rambla“ und umarmt die Welt. Er spricht kein Wort, der Karton,
       seine Gesten erklären ihn. Saleh – Glatze, Ringelshirt, kurze Hose – ist
       ins Schwitzen gekommen, so viele Leute gehen auf sein Angebot ein. Vor ihm
       stehen 20, vielleicht 30 Menschen und warten auf ihre paar Sekunden Nähe.
       Noch mehr schauen einfach zu, fasziniert von so viel grenzenloser
       Verständigung. Immer wieder brandet Klatschen auf.
       
       Dass Barcelona geeint gegen Terror und Gewalt steht, konnte man in den
       letzten Tagen vielfach beobachten. Am Tag nach dem [1][Anschlag
       versammelten sich 30.000 Anwohner], um der vielen Opfer zu gedenken – und
       zu zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen. „Wir haben keine
       Angst“, war die kämpferische Reaktion von Bürgermeisterin Ada Colau. Schon
       am Samstag war die Rambla wieder brechend voll, Restaurants und Kioske
       hatten geöffnet. Die Stimmung war ausgelassen. Normalität als politische
       Haltung.
       
       Am Sonntag haben sich nun auch die Muslime der Stadt klar bekannt: Hunderte
       kamen am späten Abend auf der zentralen Plaça de Catalunya zusammen. Einige
       hatten Tranparente dabei, auf denen „No en mi nombre“ (Nicht in meinem
       Namen) oder „El islam es paz“ (Islam ist Frieden) stand. Zur Kundgebung
       hatte das Islamische Kulturzentrum Kataloniens aufgerufen. Die islamische
       Community solle, heißt es in einer Erklärung, ein Teil des gemeinsamen
       Kampfes gegen den Terrorismus sein. Schließlich würden Muslime weltweit am
       meisten unter seiner Gewalt und Barbarei leiden.
       
       Dem kann sich Latifa Bel Ali nur anschließen. Die 63-Jährige mit dem
       roséfarbenen Kopftuch stammt aus Tunesien, seit 25 Jahren lebt sie in
       Barcelona, im marokkanischen Viertel El Raval, das hinter der Rambla
       beginnt. „Was die Attentäter im Namen des Islam verbrochen haben, ist sehr
       schlimm“, sagt sie und blickt um sich, als könnten die Terroristen jeden
       Augenblick erneut auftauchen. „Unsere Religion lehrt nicht diesen Hass“.
       Jeden Tag, erzählt Bel Ali, komme sie auf die Rambla. Seit dem Attentat
       aber verspüre sie hier nur mehr Trauer. Vielen Muslimen gehen die Attentate
       in Barcelona und Cambrils sichtbar nah. Und sie sind wütend auf die zwölf
       zum Teil minderjährigen Mitglieder der Terrorzelle von Ripoll. Immer wieder
       hört man: Die Terroristen gefährden unser friedliches Zusammenwohnen.
       
       ## Neurechter Rassismus
       
       Ähnlich hört man das auch aus ganz anderem Mund. „Seit Jahren versucht uns
       die Linke weiszumachen, dass die multikulturelle Gesellschaft das Ideal
       ist. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es nicht so ist“, sagt Pablo Rodríguez
       am Telefon. Der 28-Jährige ist Mitglied der rechtsnationalen Partei „España
       2000“, die bei den Kommunalwahlen 2015 Sitze in sieben Madrider Gemeinden
       gewann. In der Gemeinde Alcalá de Henares wählten über 5.000 Personen die
       Partei, die auf ihrer Website „nichtchristliche“ Länder wie Israel und
       Marokko als „mehr Feind denn Verbündeter“ bezeichnet. Marokko ist nach
       Behördenangaben Herkunftsland Nummer eins bei in Spanien festgenommen
       Islamisten. Auch die Mitglieder der Terrozelle von Ripoll stammen fast alle
       aus Marokko.
       
       Er habe nichts gegen kulturellen Austausch, versichert Rodríguez, dessen
       Twitter-Account ein Bild von Don Quijote ziert – der Figur aus Miguel de
       Cervantes gleichnamigem Roman, maximaler Referent der spanischen Kultur und
       Held aus der Requonquista. Aber die Masseneinwanderung, so Rodríguez, führe
       zu großen Problemen, wie man an Frankreich erkennen könne. Doch dahin
       steuere Spanien gerade, fürchtet Rodríguez. Jedes Land solle seine eigene
       Kultur bewahren dürfen. Wäre er Franzose, hätte er auch Marine Le Pen
       gewählt, die er als „Patriotin“ bezeichnet, die die „Interessen ihres
       Landes verteidigt“.
       
       Rodríguez' Argumente sind die des Ethnopluralismus, die neue Rechte in ganz
       Europa verwenden, um gegen Migranten mobil zu machen. Nicht mehr die
       „Rasse“ ist Grund der Ablehnung, sondern die „Kultur“. Auch dann noch, wenn
       viele Marokkaner wie in Barcelona bestens integriert sind und den Terror
       genauso verurteilen wie Christen in Madrid. „Wer sich bei uns an Regeln
       hält, kann natürlich hier leben“, sagt Rodríguez, der in einem Madrider
       Vorort als Händler arbeitet. „Aber das Problem sind islamistische Zentren,
       die Hass predigen“. Muslime müssten verstehen, so Rodríguez weiter, dass
       sie in einem „christlichen“ Land leben und sich daran „anpassen“ müssten.
       
       Konkret heißt das für ihn: Diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten,
       soll der Staat einsperren oder außer Landes schaffen. Und was das mit dem
       Islam zu tun hat? Viel, glaubt Rodríguez: „Zehn Prozent der Moscheen in
       Spanien vertreten radikale Ansichten“. Er glaube nicht, dass alle Muslime
       Terroristen seien, aber die Radikalen würden mehr.
       
       ## Viele Salafisten in Katalonien
       
       Diese Einschätzung vertreten auch spanische Sicherheitsbehörden. Das
       Innenministerium spricht von rund 100 Moscheegemeinden, die salafistische
       Inhalte vertreten – oft bezahlt aus Saudi-Arabien, Kuwait oder Qatar. Ein
       Großteil von ihnen liege in Katalonien, das Terrorismusexperten als
       Islamisten-Hochburg bezeichnen. 80 der 256 Moscheen stuft das
       Innenministerium als radikal ein. Vor zwei Jahren waren es noch 50.
       
       Dass die Dschihadisten auf dem Vormarsch sind, sieht auch Mohammed Chaib.
       Chaib ist Direktor der Stiftung Ibn Battuta in Barcelona, die sich für die
       Integration von muslimischen Migranten einsetzt. Mit dem Kulturbewahrer
       Rodríguez teilt er den Befund, dass man radikale Islamisten bekämpfen muss.
       Beim Weg widerspricht er ihm aber: „Gegen Radikalisierung hilft keine
       pauschale Stigmatisierung von Muslimen als Terroristen“, sagt Chaib der
       taz. Im Gegenteil: Das befördert noch die Möglichkeit, dass sich junge
       Menschen radikalen Ideologien zuwenden. Was nach seiner Erfahrung hilft:
       Aufklärung, gleiche Bildungschancen auch für Migranten, und Dialog.
       
       Es ist schon viel wert, dass am Montag Abend mehr als 140 muslimische und
       nichtmuslimische Organisationen in Barcelona geschlossen gegen Terror auf
       die Strasse gehen. „Islam bedeutet Frieden“, sagt Mohammed Chaib. „Wenn das
       alle Katalanen und alle Spanier verstehen, dann können sie auch nicht mehr
       dem Islam die Schuld am Terror geben.“
       
       21 Aug 2017
       
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