# taz.de -- Fremdsprachen im Grundschulalter: Lost in Translation
       
       > 68 Prozent der Kinder in Deutschland lernen schon in den ersten
       > Schuljahren eine Fremdsprache. Eine neue Studie zeigt, dass das nicht
       > viel bringt.
       
 (IMG) Bild: Experten empfehlen, in der 3. Klasse mit Englisch einzusteigen; viele Bundesländer tun das bereits
       
       Köln taz | Ein bisschen „Incy Wincy Spider“ trällern und ein paar englische
       Verse aufsagen – und schon flutscht die Fremdsprache? Dass ein
       spielerischer und möglichst früher Englischunterricht nicht viel bringt,
       zeigt eine neue Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum.
       
       In Deutschland lernen 68 Prozent der Kinder bereits in den ersten
       Schuljahren eine Fremdsprache, EU-weit sind es sogar 82 Prozent. Vor allem
       Englisch wird unterrichtet, im Saarland und in Teilen Badens auch
       Französisch. Bereits im „frühesten Kindesalter“ sollen andere Sprachen
       vermittelt werden, gibt die Europäische Kommission vor.
       
       Doch besonders nachhaltig ist das offenbar nicht, wie die Studie
       herausfand. Kinder, die seit der 1. Klasse Englisch lernen, schneiden
       sieben Jahre später sogar schlechter ab als solche, die erst zwei Klassen
       später einsteigen. „Der fremdsprachliche Frühbeginn wird häufig hochgelobt,
       obwohl es insgesamt wenig Forschung gibt, die diesen Mythos unterstützt“,
       betont Nils Jäkel vom Bochumer Lehrstuhl Didaktik des Englischen.
       
       In Kooperation mit der Technischen Universität Dortmund analysierte sein
       Team Daten von 31 Gymnasien in Nordrhein-Westfalen. Verglichen wurde das
       Lese- und Hörverständnis von 5.130 SchülerInnen in zwei Gruppen. Noch in
       der fünften Klasse schnitten jene Kinder besser ab, die früh mit Englisch
       begonnen hatten. In der siebten Klasse aber wurden sie überholt von denen,
       die erst in der dritten Klasse mit dem Lernen der Fremdsprache angefangen
       hatten.
       
       ## Nur täglicher Unterricht garantiert Fortschritte
       
       „Unsere Studie bestätigt Ergebnisse aus anderen Ländern wie Spanien, die
       zeigen, dass ein bis zwei Stunden Unterricht bei Grundschülern auf längere
       Sicht nur wenig zur Sprachkompetenz beitragen“, sagt Jäkel. Dazu wäre sehr
       viel „intensiverer Kontakt“ notwendig. Nur täglicher Unterricht garantiere
       nennenswerte Fortschritte, 90 Minuten pro Woche seien definitiv zu kurz.
       
       Die Englischdidaktik an der Grundschule basiert auf dem altersgemäßen Hören
       und Erleben der Sprache durch Reime, Lieder und Geschichten. Die
       Kultusminmisterkonferenz erhofft sich davon die Basis „für den Erwerb von
       Mehrsprachigkeit und für lebenslanges Fremdsprachenlernen“. An den
       weiterführenden Schulen komme es jedoch zu einem problematischen Bruch, zu
       einer Art Sprachschock. Die Sekundarschule ist leistungsorientierter,
       konzentriert sich auf Grammatik und das Abfragen von Vokabeln. Dass der
       zunächst gemessene Vorsprung beim Hörverstehen in dieser Phase zum Teil
       verloren geht, erklärt die Bochumer Studie mit einem Motivationsverlust
       jener SchülerInnen, die sich mit dem abrupten Methodenwechsel schwertun.
       
       Trotz ihrer ernüchternden Erkenntnisse stellen die WissenschaftlerInnen den
       frühen Englischunterricht nicht grundsätzlich infrage. Man sollte nur
       „keine überzogenen Erwartungen haben“, warnen Jäkel und seine KollegInnen.
       Als sinnvollen Kompromiss betrachten sie, „in Klasse drei mit erhöhter
       Stundenzahl einzusteigen“. In den meisten Bundesländern ist dieser
       Zeitpunkt ohnehin die Regel, nur wenige fangen bereits in der ersten Klasse
       an.
       
       Wichtig sei außerdem, die didaktischen Konzepte von Grundschule und
       Gymnasium besser zu verknüpfen – und eine fundierte Ausbildung der
       Lehrenden. Denn als früher Englischunterricht vor gut zehn Jahren in
       Deutschland eingeführt wurde, gab es viele QuereinsteigerInnen ohne
       ausreichende Qualifikation, ein paar Wochen Zusatzkurs mussten reichen.
       Entsprechend improvisiert war oft der Unterricht. Inzwischen hat immerhin
       über die Hälfte der Englischlehrkräfte an Grundschulen das Fach auch
       studiert.
       
       24 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Gesterkamp
       
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