# taz.de -- Trauer um die Nuri-Moschee
       
       > Irak Selten haben die Untertanen gegen die IS-Herrschaft Widerstand
       > geleistet. Doch um das berühmte schiefe Minarett von Mossul kämpften sie.
       > Jetzt ist es doch zerstört
       
 (IMG) Bild: Die Nuri-Mosche wurde 1172 von Nureddin Zang, Gouverneur von Mossul, erbaut
       
       Von Inga Rogg
       
       ISTANBUL taz | Mehr als 800 Jahre lang hat das Minarett der Nuri-Moschee
       von Mossul sämtliche Stürme und Kriege überstanden. Liebevoll haben es die
       Einwohner Hadba, den Buckel, genannt, weil es so schief stand. Es ziert die
       irakische Zehntausend-Dinar-Note und inspirierte eine lokale Partei zu
       ihrem Namen. Doch jetzt gibt es das Wahrzeichen, das die Altstadt von
       Mossul überragte, nicht mehr.
       
       Die Extremisten des „Islamischen Staates“ haben die Moschee und das
       Minarett am Mittwoch in die Luft gesprengt. Über ihre Propagandaorgan Amaq
       behaupteten die Extremisten, die Amerikaner seien für das Zerstörungswerk
       verantwortlich. Sie hätten die Moschee aus der Luft bombardiert. Doch
       ungewöhnlich schnell wiesen die Amerikaner schon kurz danach jegliche
       Verantwortung von sich.
       
       Der IS habe einen der großen Schätze von Mossul und dem Irak zerstört,
       während die irakischen Sicherheitskräfte auf die Nuri-Moschee vorrückten,
       erklärte Generalmajor Joseph Martin, der amerikanische Kommandant des
       Einsatzes gegen den IS. „Das ist ein Verbrechen an den Menschen von Mossul
       und dem ganzen Irak, und es ist ein Beispiel dafür, warum diese brutale
       Organisation vernichtet werden muss.“ Ein kurzes Video, das Iraker über
       soziale Medien verbreiteten, belegt, dass das Minarett nicht aus der Luft
       bombardiert wurde. Die Aufnahme zeigt eine gewaltige Explosion.
       Anschließend fällt das Minarett in schwarzen Rauchwolken in sich zusammen.
       
       Es war in dieser Moschee, in der IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi vor knapp
       drei Jahren seinen ersten und bisher einzigen öffentlichen Auftritt hatte.
       Kurz nach dem die Extremisten Mossul und weite des Teile des West- und
       Zentralirak überrannt hatten, ließ sich Baghdadi zum Kalifen oder Oberhaupt
       der Muslime ernennen. Von der Kanzel der Nuri-Moschee rief er die Muslime
       weltweit am 4. Juli 2014 dazu auf, ins Kalifat zu reisen und sich dem
       Dschihad anzuschließen. Zehntausende folgten diesem Aufruf und überzogen
       den Irak und Syrien mit Angst und Schrecken.Auf ihrem Feldzug verübten die
       Fanatiker nicht nur massenhaft Massaker an Andersgläubigen, sondern legten
       mit Sprengstoff, Bulldozern und Äxten auch das antike und multireligiöse
       Erbe des Irak in Trümmer. Selten wagten es die Bürger, sich gegen die
       Terrorherrschaft zu erheben. Doch in Mossul taten sie es einmal. Als im
       Sommer 2014 Gerüchte die Runde machten, der IS wolle das Hadba-Minarett in
       die Luft sprengen, bildeten mutige Männer eine Menschenkette und
       verhinderten damit das Zerstörungswerk. Umso schwerer wiegt jetzt der
       Verlust.
       
       Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi nannte die Zerstörung der
       Moschee den finalen, verdorbenen Akt der Extremisten. Es sei das offizielle
       Eingeständnis ihrer Niederlage, sagte Abadi. Seine Regierung hatte freilich
       gehofft, die Moschee selbst zum Zeichen des Siegs über die Extremisten zu
       machen. Nach acht Monaten harter Kämpfe, die Tausende von Toten unter der
       Zivilbevölkerung und den irakischen Truppen gefordert haben, haben
       Eliteeinheiten am Sonntag mit dem Angriff auf die Altstadt begonnen. Am
       Donnerstagmorgen sollte der Kampf um die historische Moschee beginnen.
       
       Pünktlich zum Ende des Fastenmonats Ramadan in wenigen Tagen und dem
       Auftakt der dreitägigen Festtage wollten sie auf dem Hadba-Minarett die
       irakische Flagge hissen. Es wäre es ein Bild von großer symbolischer Kraft
       geworden. Zwar wäre der IS damit noch nicht besiegt – die Extremisten
       kontrollieren weiterhingroße Gebiete in Syrien, aber auch etliche Gegenden
       im Irak –, aber es hätte seiner Propaganda einen empfindlichen Schlag
       versetzt.
       
       Das Gotteshaus wurde 1172 auf Anordnung von Nureddin Zangi gebaut,
       Gouverneur von Mossul und Aleppo der türkisch-selukkischen Zangi-Dynastie.
       Die Moschee musste im 20. Jahrhundert einem Neubau weichen. Doch das aus
       Ziegelsteinen errichtete Minarett blieb erhalten. Schon der berühmte
       marokkanische Reisende Ibn Battuta verzeichnete im 14. Jahrhundert seinen
       Schiefstand.
       
       Warum es so schief wurde, ist Gegenstand zahlreicher Legenden. Kurz bevor
       der IS Mossul überrannte, hatte die Unesco mit der Lokalregierung begonnen,
       es zu stabilisieren, um einen Einsturz zu verhindern. Für Alteingesessene
       war das Hadba-Minarett das, was den Italienern der schiefe Turm von Pisa
       ist. Angesichts der vielen Toten und Verletzten sowie der Zerstörung ist
       die Sprengung des Minaretts nur eine weitere Tragödie. Der Verlust des
       irakischen Kulturerbes sei traurig, sagte der Menschenrechtler Saib Khidr.
       „Aber wir dürfen nicht die Menschen vergessen, die getötet, entführt und
       gefoltert wurden.“
       
       23 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA