# taz.de -- Debatte über Brandschutz
       
       > London Noch immer sind nicht alle Vermissten aus dem abgebrannten
       > Hochhaus geborgen. Nun wird untersucht, ob die Brandschutzbestimmungen im
       > Land ausreichen
       
 (IMG) Bild: Fassade des Grenfell Towers gestern
       
       LONDON dpa | Ein schwarzes Gerippe ragt in den blauen Londoner
       Sommerhimmel. Es qualmt noch, selbst 30 Stunden danach. Vor dem Grenfell
       Tower suchen Menschen mit Fotos und Aushängen nach Hinweisen auf ihre
       Freunde, ihre Familie. Ein Junge sucht seinen Mitschüler. Eine Mutter soll
       mit ihren sechs Kindern aus der Wohnung hoch oben geflohen – und mit nur
       vier Kindern unten angekommen sein.
       
       Mindestens 17 Menschen verloren ihr Leben. 37 waren am Donnerstagmittag
       noch im Krankenhaus, 17 davon in kritischem Zustand. „Wir erwarten, dass
       die Zahl der Opfer noch weiter steigen wird“, sagte Stuart Cundy von der
       Londoner Polizei. Niemand weiß genau, wie viele Menschen in dem
       24-stöckigen Sozialbau waren, als in der Nacht zum Mittwoch das Feuer
       ausbrach. Niemand weiß, wie viele es lebend rausschafften, wie viele
       drinblieben. Dass gerade Ramadan ist, könnte manchen das Leben gerettet
       haben. Einige Muslime waren zum Essen noch wach, als das Feuer ausbrach –
       und sollen auch Nachbarn aus dem Bett geholt haben.
       
       Die Feuerwehr kann die oberen Stockwerke auch am Tag nach dem Feuer nicht
       gründlich durchsuchen. Die Ränder des quadratischen Turms sind instabil. Es
       sieht aus, als könne die Fassade jederzeit bröckeln. Wochen werde die
       Arbeit noch dauern, kündigt Feuerwehr-Chefin Dany Cotton an. Die Helfer
       wollen Fingerabdrücke nehmen und Hunde in das Gebäude schicken. Hat Cotton
       Hoffnung, noch jemanden lebend zu finden? „Es wäre ein Wunder“, sagt die
       junge Frau.
       
       Anwohner und Angehörige stellen immer lauter die Frage nach Schuld. Wie
       konnte es passieren, dass das Haus wie eine Fackel rasend schnell in
       Flammen aufging? Welche Rolle spielte die Fassadendämmung? Sie ähnelte laut
       einem Bericht der Zeitung Daily Mail der eines Ende 2014 ebenfalls
       ausgebrannten Hochhauses in Melbourne. An den Außenwänden beider Gebäude
       seien Platten aus einem leicht entzündbaren Aluminiumgemisch angebracht
       gewesen, so die Zeitung. Beim Brand des Melbourner Wohnhauses hatte eine
       brennende Zigarette auf einem Balkon in der achten Etage das Feuer
       ausgelöst, wie Daily Mail und Guardian unter Berufung auf die Feuerwehr
       berichteten. Die Flammen hatten dem Guardian zufolge binnen elf Minuten das
       Dach des 21-stöckigen Gebäudes erreicht. Die Feuerwehr sah damals einen
       direkten Zusammenhang zwischen den Aluminiumverbundplatten und den sich
       rasch nach oben ausbreitenden Flammen. Eine nicht entflammbare
       Fassadenverkleidung hätte die Wahrscheinlichkeit eines Großbrands sogar
       reduziert, zitierte der Guardian aus dem Bericht der australischen
       Gutachter.
       
       In Großbritannien ist eine Debatte über die Brandschutzbestimmungen
       ausgebrochen. Premierministerin Theresa May ordnet eine unabhängige
       Untersuchung an, Oppositionsführer Jeremy Corbyn demonstriert Gefühl: Es
       gebe viele Hochhausbewohner im Land. „Jede einzelne Person wird sich heute
       fragen: Wie sicher bin ich?“
       
       Eigentlich wird Brandschutz in Großbritannien sehr ernst genommen. In
       neueren Hochhäusern sind Sprinkler Verwaltungsangaben zufolge
       vorgeschrieben, eine Pflicht zur Nachrüstung gibt es jedoch nicht.
       
       16 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Peter Schulz
       
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