# taz.de -- heute in hamburg: „Ganz besonderer Prozess“
       
       > VORTRAG An der Uni Hamburg erforscht ein interdisziplinäres Team den
       > Stammheim-Prozess
       
       taz: Herr Jeßberger, könnte der Stammheim-Prozess in Ihren Vorlesungen als
       Beispiel dafür dienen, wie ein Gerichtsverfahren nicht sein sollte? 
       
       Florian Jeßberger:Der Prozess von Stammheim hat die Strafjustiz vor
       besondere Herausforderungen gestellt. Wenn man eine normale strafrechtliche
       Vorlesung hält, kann man ihn deshalb nicht für einen bestimmten Punkt als
       Beispiel heranziehen – aber eben als ganz besonderen Prozess. Generell ist
       aber vieles nicht prozessordnungskonform gelaufen.
       
       Sie forschen dazu. Was wollen Sie herausfinden? 
       
       Unser Projekt zielt auf die wissenschaftliche Erschließung der zentralen
       Quellen des Prozesses – des Urteils und des mehrere tausend Seiten
       umfassenden Protokolls der Hauptverhandlung. Eines unserer zentralen Ziele
       ist, diese Dokumente in einer kommentierten Edition öffentlich zugänglich
       zu machen. Dazu arbeiten wir mit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe aus
       Historikern und Juristen.
       
       Der damalige Anwalt von Andreas Baader ist Teil ihrer Forschungsgruppe.
       Kann er die nötige wissenschaftliche Distanz wahren? 
       
       Kurt Groenewold hat eine sehr besondere Bedeutung für unsere Projektgruppe,
       gerade durch seine Eigenschaft als Zeitzeuge. Natürlich ist uns bewusst,
       dass er sich mit diesen Ereignissen anders auseinandersetzt als wir. Die
       Art und Weise wie er eingebunden sein wird, wird das berücksichtigen. Aber
       er ist trotzdem ein wichtiger Impulsgeber.
       
       Wie relevant ist der Stammheim-Prozess heute noch? 
       
       Er ist einer der großen politischen Strafprozesse des 20. Jahrhunderts und
       somit schon deshalb von Bedeutung. Aus seinem Anlass sind damals wichtige
       Bestimmungen der Prozessordnung geändert worden und zum Teil auch heute
       noch in Kraft. Damit hat er zum einen historische, zum anderen
       strafrechtliche Relevanz.
       
       Otto Schily bezeichnete das Verfahren einmal als „die systematische
       Zerstörung aller rechtsstaatlichen Garantien“. Würden Sie dem zustimmen? 
       
       Es steht völlig außer Frage, dass im Zuge dieses Prozess
       rechtsstaatswidrige Handlungen vorgenommen wurden, insbesondere das Abhören
       von Verteidigern und Angeklagten. Dass heißt allerdings nicht, dass alles
       in dem Prozess rechtsstaatswidrig gewesen ist.
       
       Interview Muriel Kalisch
       
       Vortrag: „40 Jahre Stammheim-Prozess – Bausteine einer Rekonstruktion“: 18
       Uhr, Universitätsbibliothek. Anmeldung: tobias.hinderks@uni-hamburg.de
       
       27 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Muriel Kalisch
       
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