# taz.de -- Ode an die zwischenmenschliche Neugier
       
       > LITERATUR Anna Weidenholzer liest in Kiel aus ihrem Roman „Weshalb die
       > Herren Seesterne tragen“
       
       Ein österreichischer Skiort, in dem es seit Jahren nicht mehr schneit, ein
       pensionierter Lehrer, der plötzlich aufbricht, um genau dort das Glück zu
       erforschen: Anna Weidenholzers 2016 erschienener Roman „Weshalb die Herren
       Seesterne tragen“ (Matthes & Seitz, 190 S., 20 Euro) weckt zunächst die
       Erwartung, die Skurrilitäten alternder Männer und der Provinz zu zeichnen.
       Aber es gelingt der 32-jährigen Autorin und Journalistin aus Linz,
       unaufgeregt und mit großer Sympathie für ihre Figuren die Geschichten von
       Menschen zu erzählen, deren Leben zu unspektakulär für Literatur scheinen.
       
       Nach dem Erzählband „Der Platz des Hundes“ und ihrem Debütroman „Der Winter
       tut den Fischen gut“, mit dem sie für den Preis der Leipziger Buchmesse
       nominiert war, ist „Weshalb die Herren Seesterne tragen“ ihr zweiter Roman.
       Darin fährt Protagonist Karl mit dem großen Plan los, als Glücksforscher
       das in Bhutan ermittelte Bruttonationalglück auf die Verhältnisse der
       österreicherischen Provinz zu übertragen. Dabei kommt er nicht weiter als
       in einen Skiort, dessen Bewohner nun überlegen müssen, wozu sie noch nutze
       sind.
       
       Karl spricht mit den Bewohnern des Dorfes, interviewt sie, merkt immer
       wieder, dass ihm die Distanz fehlt, sie nur analytisch zu sezieren, wovon
       er – wie von allem anderen auch – seiner daheim gebliebenen und doch
       omnipräsenten Frau Margit berichtet.
       
       Es ist zwar grundsympathisch, wenn Autorinnen Anfang 30 mal nicht von
       hippen Großstadtbohemiens erzählen, sondern sich zutiefst provinziellen und
       vermeintlich unspektakulären Schicksalen widmen – zumal, wenn es so
       freundlich und gar nicht rührselig geschieht. Weidenholzer wählt Worte mit
       Bedacht, beschreibt angenehm entschleunigt und bringt kleine, aber
       bedeutsame Situationen in eine poetische und gleichzeitig realistische
       Form.
       
       Je länger man jedoch in das Universum dieses namenlosen Bergdorfes und die
       Eigenartigkeiten und unerfüllten Sehnsüchte seiner Bewohner eintaucht,
       desto mehr wirkt Karls großer Plan nur als große Klammer, der zarte Roman
       zu konstruiert und überladen.
       
       Aber „Weshalb die Herren Seesterne tragen“ zeigt nicht nur den Zauber
       gewöhnlicher Menschen, sondern erzählt auch auf eine ungewöhnliche Weise
       die Liebesgeschichte von Karl und seiner Frau Margit. Letztere kommt im
       Text zwar nie persönlich zu Wort, Karl aber steht mit ihr in ständigem
       inneren Monolog – kommentiert, wie sie sein Verhalten kommentieren würde,
       bedenkt, was sie jetzt bedenken würde. Wie wunderbar unsentimental sie die
       Liebe zwischen diesen beiden beschreibt, die so ineinander verschlungen
       sind und sich dabei immer Raum zur Distanz und Beobachtung lassen:
       Weidenholzer ist mit ihrem Roman eine berührende Ode an die
       zwischenmenschliche Neugier gelungen. Hanna Klimpe
       
       Lesung mit Anna Weidenholzer: Mi, 26. 4., 20 Uhr, Kiel, Literaturhaus
       Schleswig-Holstein
       
       22 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Klimpe
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA