# taz.de -- NHL Playoffs 2017: Desaster und Aufschwung
       
       > Fünf kanadische Teams in den NHL-Playoffs sorgen für Euphorie und machen
       > die Schmach der vergangenen Saison vergessen. Passiert ist indes wenig.
       
 (IMG) Bild: Erfolgreichster Scorer in der NHL: Connor Mc David erinnert in Edmonton an Wayne Gretzky
       
       Zwei Minuten und 48 Sekunden sind noch auf der Uhr, als Connor Brown von
       den Toronto Maple Leafs seine Kelle in den Schuss von Jake Gardiner hält.
       Es ist die entscheidende Berührung. Browns stupst den Puck unter die Latte
       – 4:3 für die Maple Leafs gegen die Pittsburgh Penguins. Ein Tor wie es
       Hunderte pro Saison in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL gibt. Doch
       Spieler und Zuschauer jubeln, als hätten die Leafs gerade den Stanley Cup
       gewonnen. Dabei haben sie mit dem schließlich 5:3 gewonnenen Spiel
       lediglich die Playoffs erreicht. In einer Liga, in der 53 Prozent aller
       Teams die Endrunde erreichen.
       
       Doch in Kanada geht es in diesem Jahr um mehr: Es geht um die Tilgung einer
       Schmach. Vor einem Jahr lag das Mutterland des Eishockeys am Boden. Alle
       sieben kanadischen NHL-Teams hatten im Frühling 2016 die Playoffs verpasst.
       Das hatte es zuvor nur einmal gegeben: 1970. Beide Male regierten übrigens
       Trudeaus das Land.
       
       Während die Eishockeykrise allerdings weder Vater Pierre noch Sohn Justin
       ernsthaft in Gefahr brachte, stellten Kanadas Hockeyjournalisten
       existenzielle Befunde aus: Man habe das Spiel verloren, hieß es
       beispielsweise in der National Post. Und damit war nicht ein einzelnes
       Spiel gemeint, sondern die ganze Sportart, die nicht mehr den Kanadiern
       gehörte. Es war ein Desaster.
       
       ## Erfolgreiche Verliererteams
       
       Und dieses Desaster wird nun vergessen gemacht. Mit dem Tor von Brown stand
       in der Nacht von Samstag zu Sonntag fest, dass bei den am Mittwoch
       beginnenden Playoffs 2017 gleich fünf kanadische Teams antreten werden.
       Fünf von sieben, keine schlechte Quote. Selbst notorische Verliererteams,
       wie die Ottawa Senators oder eben jene Maple Leafs, die zwar Tradition,
       aber sonst nichts zu bieten hatten, sind diesmal dabei – erst zum zweiten
       Mal in den vergangen 13 Jahren übrigens.
       
       Was ist in dem einen Jahr passiert in Kanada, dass gar solche Teams den Cut
       schaffen? Eigentlich nichts. Wie gesagt: Trudeau regiert immer noch. Der
       kanadische Dollar ist immer noch deutlich schwächer als der US-Dollar. Der
       Druck, der auf Spielern in Kanada lastet, ist nicht kleiner geworden.
       Gründe, die 2016 rausgekramt wurden, um die Schmach zu erklären.
       
       Macht das nun alle Erklärungen von damals unbrauchbar? Nö, wurden doch
       viele strukturelle Probleme offenbar (den letzten Stanley Cup gewann ein
       kanadisches Team 1993), die auch der aktuelle Erfolg nicht löst. Aber der
       Aufschwung zeigt auch, dass sich Misserfolg und Erfolg tatsächlich so nah
       sind, wie man gemeinhin vor sich hin brabbelt, wenn es nicht so läuft.
       
       ## Endlich richtige Entscheidungen
       
       Beispiel: Maple Leafs. Das Team aus Toronto profitierte unter anderem
       einfach davon, dass bei einem so hoch gehandelten Team wie den Tampa Bay
       Lightning die halbe Mannschaft ausfiel. Kapitän Steven Stamkos hat in
       dieser Saison kaum ein Spiel gemacht. Trotzdem kam Tampa am Ende noch
       bedrohlich nah. Würde die reguläre Saison noch fünf Spiele länger dauern,
       Toronto würde vermutlich in der Eastern Conference noch verdrängt werden.
       
       Beispiel: Montreal Canadiens. Die Habs, die nicht nur die Playoffs
       erreichten, sondern auch ihre Division gewannen, waren schlicht nie so
       schlecht, wie sie 2016 gemacht wurden. Damals war bei ihnen Carey Price,
       der Stammtorwart, wegen einer Knieverletzung ausgefallen – und das nach nur
       zwölf Spielen. In dieser Saison war Price wieder fit. Und wie: 92,3 Prozent
       aller Schüsse wehrte er 2016/17 ab und ließ im Schnitt nur 2,23 Tore pro
       Spiel zu.
       
       Beispiel: Edmonton Oilers. Das Team, das mit Wayne Gretzky in den 80ern
       vier und ohne ihn sogar noch eine fünfte Meisterschaft holte, war zuletzt
       vor elf Jahren in den Playoffs. Die glorreichen Jahre begannen zu
       verblassen, der Klub aus der kanadischen Provinz Alberta stand nur noch für
       Inkompetenz. Doch zuletzt haben die Oilers bei den Drafts, den jährlichen
       Talenteauswahlen, endlich mal wieder die richtigen Entscheidungen getroffen
       – und die heißen: Leon Draisaitl (2014 gedraftet) und Connor McDavid (2015
       gedraftet). 21 und 20 Jahre alt. Scorerpunkte in dieser Saison: 77 und 100.
       Ligaweit die Plätze acht und eins.
       
       Damit hat sich McDavid die Art Ross Trophy für den Spieler mit den meisten
       Toren und Vorlagen gesichert. Der letzte Spieler aus Edmonton, der diese
       Trophäe gewann, war: Wayne Gretzky. In Edmonton träumen sie schon – von
       einem neuen Gretzky und einem sechsten Stanley Cup.
       
       10 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
       
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