# taz.de -- Neue Regierungschefin in Hongkong: Pekings Wunschkandidatin
       
       > Carrie Lam hätte laut Umfragen unter Hongkongern kaum Chancen gehabt.
       > Aber die Führung in Peking wollte sie gern als Regierungschefin sehen.
       
 (IMG) Bild: Carrie Lam nach der Wahl zur neuen Regierungschefin: Ein Demonstrant hält aus Protest einen Regenschirm hoch
       
       Hongkong dpa | Überschattet von Protesten ist in Hongkong die bisherige
       Verwaltungschefin Carrie Lam zur neuen Regierungschefin der chinesischen
       Sonderverwaltungsregion gekürt worden. Obwohl ihr Gegenkandidat John Tsang
       in der Bevölkerung viel beliebter ist, erhob ein mehrheitlich
       Peking-freundliches Wahlkomitee die 59-Jährige an die Spitze der früheren
       britischen Kronkolonie. Demonstranten beklagten „Wahlschwindel“ und
       forderten endlich freie Wahlen.
       
       Bei dem gelenkten Votum erhielt die Wunschkandidatin Pekings mit 777
       Stimmen erwartungsgemäß die Mehrheit. Der populärere frühere Finanzminister
       Tsang kam auf 365. Der 65-Jährige wurde von der prodemokratischen
       Opposition unterstützt, genoss aber nicht das Vertrauen Pekings. Der dritte
       Kandidat, der Richter Woo Kwok Hing (71), erreichte nur 21 der Stimmen.
       
       Lam versprach, „ein neues Kapitel aufschlagen“ und die sieben Millionen
       Hongkonger wieder zusammenzubringen. „Hongkong leidet unter einer ziemlich
       ernsten Spaltung – und es hat sich eine Menge Frustration angesammelt.“ Sie
       versicherte, soziale Probleme angehen, sich in Peking für Hongkong
       einsetzen und seine freiheitlichen Grundwerte zu schützen.
       
       Noch während die Auszählung lief und bevor das Ergebnis überhaupt geprüft
       war, verkündete Chinas Staatsagentur Xinhua den Sieg der bisherigen Nummer
       zwei. Während der Abstimmung im Kongresszentrum kam es draußen zu
       Protesten. Hunderte prodemokratische Demonstranten durchbrachen eine
       Polizeisperre, wurden aber schließlich von einer Kette von
       Sicherheitskräften vor dem Gelände aufgehalten.
       
       Es gab ein heftiges Gerangel zwischen Demonstranten und Polizisten. Auf
       Plakaten beklagten die Aktivisten „Lügen, Zwang, Schönfärberei“ und riefen
       in Sprechchören: „Wir wollen allgemeines Wahlrecht.“ Der Protestzug wurde
       angeführt von dem Studentenführer Joshua Wong, dem prominenten Abgeordneten
       „Langhaar“ Leung Kwok-hung und Hongkongs jüngstem Parlamentarier, dem
       23-jährigen Nathan Law.
       
       Auch bei der öffentlichen Auszählung der Stimmen in einem großen Saal des
       Kongresszentrums kam es zu Pfiffen und Buhrufen aus dem Publikum. Tausende
       Polizisten waren mobilisiert worden, um die Abstimmung zu schützen. Die
       unangemeldeten Proteste blieben aber friedlich.
       
       ## „Eine glückliche Versammlung“
       
       Prochinesische Kräfte demonstrierten auf einer Gegenkundgebung ihre
       Unterstützung für das Wahlverfahren: „Dies ist eine glückliche
       Versammlung“, sagte der Textilkaufmann Ivan Tsim in der Gruppe. „Nicht wie
       die Leute da drüben“, sagte der 60-Jährige und zeigte hinüber zu den
       prodemokratischen Demonstranten.
       
       Viele Hongkonger sind enttäuscht, dass ihnen die kommunistische Führung in
       Peking – ungeachtet früherer Versprechen – weiterhin keine freie Wahl
       erlaubt. So besetzten die 1.194 Mitglieder der Wirtschaftselite und anderer
       Interessengruppen, die meist von guten Beziehungen zu China profitieren,
       „im kleinen Kreis“ das Spitzenamt und folgten wieder mehrheitlich den
       Vorgaben aus Peking.
       
       Kritiker befürchten neue Spannungen in Hongkong. Mit dem Ruf nach mehr
       Demokratie hatte die „Regenschirm-Bewegung“ schon 2014 Teile der
       asiatischen Wirtschafts- und Finanzmetropole wochenlang lahmgelegt. Es war
       die schwerste Krise seit der Rückgabe Hongkongs 1997, das nach dem
       Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ unter chinesischer Souveränität als
       eigenes Territorium autonom regiert wird.
       
       Die Regierungschefin wird am 1. Juli ins Amt eingeschworen. Es ist der 20.
       Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China. Zu den Feiern wird Staats- und
       Parteichef Xi Jinping erwartet. Die Karrierebeamtin tritt die Nachfolge des
       unbeliebten Immobilienunternehmers Leung Chun-ying an, der auf eine zweite
       Amtszeit verzichtet hatte.
       
       26 Mar 2017
       
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