# taz.de -- Stoisch ertragene Überforderung
       
       > Drive-by Schlafende Händler, dichtes Gedränge, entschwindende Gleise:
       > „Railway Sleepers“ schaut in die Züge Thailands (Forum)
       
       Die Kinogeschichte nahm mit einem zum Stehen kommenden Zuges Fahrt auf. Das
       war 1895 in Paris bei den Brüdern Lumière. Sompot Chidgasornpongses
       schöner Essayfilm „Railway Sleepers“ (Original: „Mon rot fai“) beginnt nun
       mit einem ausfahrenden Zug, gefilmt aus dem letzten Waggon mit Blick aufs
       verschwindende Gleis. 1893, erfährt man nebenbei, begann in Thailand die
       Geschichte der Eisenbahn: Vier zentrale, sternförmige Linien erschließen
       das Land seither.
       
       Kino und Eisenbahn haben miteinander zu tun. Nicht nur, weil beide den
       industriellen Schubkräften des 19. Jahrhunderts quasi aufsitzen. Auch den
       spezifischen Kinoblick hat die Erfahrung des Eisenbahnreisens gewissermaßen
       eingeübt: Gemeinschaftlich sitzt man in einer Blase geschenkter Zeit vor
       einem Bildkader, in dem es wuselt und lebt, in dem scheinbar willkürliche
       Sinneseindrücke vorüberziehen: Die Geburt des abstrakten Experimentalfilms
       aus dem Geist des Zugwaggons. Die Zugfahrt verdichtete nicht nur den zu
       überbrückenden Raum und schenkte damit zusätzliche Zeit, sie setzte auch
       Reisezeit frei: Wie dieses müßig-flüchtige Nichts im Waggon füllen?
       „Railway Sleepers“ bietet dazu viel Anschauungsmaterial.
       
       Über Jahre hat Chidgasornpongse die thailändischen Eisenbahnlinien mit der
       Kamera begleitet und die Fahrgäste beobachtet. Man sieht: Stoisch ertragene
       Überforderung angesichts des lebhaften Getümmels, Lehrerinnen, die ihre
       Kinder einholen, fahrende Händler in den Gängen, die esoterische Broschüren
       verscherbeln, Zugbegleiter, die im Schlafwaggon Frühstücksbestellungen
       aufnehmen. Aber auch immer wieder: Momente brüchiger Digitalfilm-Poesie,
       abstrakte Impressionen aus der Nacht Südostasiens.
       
       Chidgasornpongse war lange Regieassistenz bei Apichatpong Weerasethakul,
       dem berühmtesten Filmemacher Thailands. Von Festivals gefeiert, wird er,
       wenn alles glatt läuft, auch an Dercons Volksbühne arbeiten. Der Assistent
       wandelt unterdessen sichtlich auf dessen Pfaden, oder besser: Gleisen. Die
       spröde, offene Form ist von Weerasethakul entlehnt, wie auch das
       Geistergespräch im Film, das sehr ungeisterhaft inszeniert ist und die
       dokumentarische Form des Films ins Unklare überführt. Am Ende ist auch
       „Railway Sleepers“ dankbar angenommene, geschenkte Zeit. Thomas Groh
       
       Heute, 16.30 Uhr, CineStar 8; 18. 2., 22 Uhr, CinemaxX 4
       
       17 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Groh
       
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