# taz.de -- Berliner Szenen: Zentriert in Mitte
> Der Gockel
Ich besuche das teuerste Yogastudio Berlins. Es liegt in Mitte, ist hip und
hat einen Fahrstuhl. Der Empfangstresen ist aus Teakholz. Da sieht man auch
ab und zu Heike Makatsch und Detlef D! Soost.
Überhaupt trete ich durch die Fahrstuhltür in eine kleine eigene Szene. Mit
meiner Dreierkarte gehöre ich jetzt dazu. Ich hol mir eine Matte, auf der
schon Heike geschwitzt haben muss. Im Übungsstudio begegnen sich Jung und
Schön. Das Licht macht alle noch schöner. Balkendecke, ein zarter Duft von
Sandelholz – die innere Vorfreude auf eine professionelle Yogapraxis steigt
ins Unermessliche.
Dann: Ein Mann Mitte dreißig macht den nach unten schauenden Hund, danach
den stehenden Spagat. Er dreht den Kopf zu mir und zwinkert. Ich drehe mich
eingeschnappt weg, will zur Yogalehrerin gehen und petzen, dass einer
stört, obwohl die Stunde noch nicht mal angefangen hat. Halte mich aber
zurück. Er renkt seine Halswirbelsäule ein und es knackt laut, er atmet
theatralisch aus, während er sich selbst eine kräftige Nackenmassage gönnt.
Ich will nicht zu ihm gucken, weil er das möchte – aber ich kann nicht
anders. Jetzt macht er Handstand und läuft auf seinen Händen. Nachdem sein
Gegockel ein Ende hat, steht er auf, holt sich das Desinfektionsspray,
das dort steht, wo es nur wirklich langjährige Kunden finden können, und
reinigt seine Matte vom eigenen Saft.
Die Stunde ist auf Englisch, natürlich, und der Raum überfüllt von
Attraktivität. Am Ende der Stunde fühle ich mich zentriert in Mitte. Aber
das Beste sind die Orangenscheiben und Apfelstückchen in Schalen aus
Ton-Imitat wie aus dem Katalog. Zu dem Yogitee wird Hafer- und Sojamilch
gereicht. Ich hechte zum Fahrstuhl, draußen läuft Heike Makatsch über die
Straße, am Yogastudio vorbei.
Sophie Herwig
24 Feb 2017
## AUTOREN
(DIR) Sophie Herwig
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