# taz.de -- Wenn die Muttermilch nicht vegan genug ist
       
       > Ernährung Eine vegane Ernährung für Kinder ist ab der Geburt möglich,
       > sagen VeganerInnen. Eltern müssten sich aber gut mit gesunder Ernährung
       > auskennen. Die Einnahme von B12-Präparaten sei aber unumgänglich, um
       > einem Nährstoffmangel vorzubeugen. Die Deutsche Gesellschaft für
       > Ernährung rät grundsätzlich ab
       
 (IMG) Bild: Wer es ganz genau nimmt mit der veganen Ernährung seiner Kinder, gibt Muttermilchersatznahrung auf Soja-Basis
       
       von Vanessa Reiber
       
       Quietschfidel und rotwangig sehen die Kinder auf den Fotos aus, deren
       Eltern sie mit dem Hashtag #veganbaby versehen. „Seht her, mein Baby kriegt
       nur pflanzliche Nahrung und es geht ihm hervorragend“, sollen die Bilder in
       den sozialen Netzwerken im Internet offenbar aussagen.
       
       Kritisch sieht hingegen die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) die
       vegane Ernährung. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2016 heißt es, dass
       „bei einer rein pflanzlichen Ernährung eine ausreichende Versorgung mit
       einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich ist“.
       
       ## Ohne Tierprodukte
       
       Veganer verzichten bei ihrer Ernährung vollständig auf tierische Produkte,
       die Gründe sind vielfältig. Einige Veganer machen es, weil sie an
       gesundheitliche Vorteile glauben, andere aus moralischen Überlegungen.
       „Eine vegane Ernährung ist tierfreundlich, umweltfreundlich und gesund“,
       sagt Maike Kratschmer, die seit sechs Jahren vegan lebt und in ihrer Bremer
       Naturheilpraxis auch zu Ernährung berät. Sie betreibt auch die Homepage
       Vegan-in-bremen.de und hat selbst keine Kinder. Sie sagt, sie meide
       Tierprodukte aus Überzeugung und halte es für äußerst empfehlenswert, auch
       Kinder vegan zu ernähren. Weil es nach ihrer Ansicht sehr gesund ist.
       
       Allerdings besteht bei der veganen Ernährungsweise insbesondere in Hinblick
       auf die Aufnahme des Vitamins B12 das Risiko eines Nährstoffmangels –
       sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Das Vitamin wird ausschließlich
       von Mikroorganismen produziert und kommt in einer für den Menschen
       verfügbaren Form fast nur in tierischen Produkten vor. Vitamin B12 spielt
       vereinfacht gesagt eine bedeutende Rolle bei der Zellteilung, der
       DNA-Synthese, der Blutbildung und der Funktion des Nervensystems. Es gibt
       zwar mit Vitamin B12 angereicherte Lebensmittel, jedoch kann der
       Tagesbedarf durch diese Produkte nicht gedeckt werden.
       
       ## Lieber mit Vitamin B 12
       
       Der Vegetarierbund empfiehlt deswegen die Einnahme von
       Nahrungsergänzungsmitteln, um die B12-Versorgung sicherzustellen. Da eine
       B12-Überdosierung kaum möglich ist, können Präparate bedenkenlos
       eingenommen werden, überschüssige Mengen werden ausgeschieden.
       
       Da Folgen eines Vitamin-B12-Mangels zu Störungen bei der Blutbildung,
       Wachstumsverzögerungen und mentalen Retardierungen führen können, rät die
       DGE Schwangeren, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen von einer veganen
       Ernährungsweise ab.
       
       „Eine vegane Ernährung bei Kindern ist auf jeden Fall möglich, wenn man mit
       B12 substituiert und über gesunde Ernährung Bescheid weiß“, sagt der Bremer
       Allgemein- und Ernährungsmediziner Tim Müller, auch er ist überzeugter
       Veganer. Es reiche jedoch nicht, Tierprodukte einfach wegzulassen und die
       Gemüsedosis zu erhöhen. Dann entstehe eine Mangelernährung. „Zu den
       potenziell kritischen Nährstoffen zählen Proteine, bestimmte Fettsäuren,
       Vitamin D und Mineralstoffe wie Eisen und Calcium“, so Müller. Die
       Veganerin Kratschmer, die auch Kurse zum Thema „gesunde Ernährung“
       anbietet, gibt zu bedenken: „Wenn sie nicht ausgewogen ist, kann jede
       Ernährungsweise zu Mangelerscheinungen führen.“
       
       Wie aber funktioniert die vegane Ernährung von Kindern? „Im 1. Lebensjahr
       ist das Stillen weiterhin die beste Ernährungsform für Säuglinge“, sagt
       Müller. Wer nicht stillen kann oder will, könne auf Babymilchnahrung auf
       Sojabasis ausweichen. Sobald Babys Interesse an fester Nahrung entwickeln –
       also durchschnittlich mit etwa einem halben Jahr – könnten
       Getreide-Obst-Breie eingeführt werden – so wie bei der nicht-veganen
       Babyernährung auch. Ab dem 7. Monat empfiehlt Müller, stufenweise auch Tofu
       oder Sojajoghurt im Brei mitzupürieren. „Tofu ist ein guter Eisen- und
       Eiweißlieferant.“
       
       ## Kinder haben kleine Mägen
       
       Auch Kalzium könne problemlos über eine vegane Ernährung aufgenommen
       werden, sagt Müller. Kalziumangereicherte Sojajoghurts und kalziumreiches
       Mineralwasser seien gute Quellen. Proteinquellen für vegane Kinder sind
       Hülsenfrüchte, Getreide, Tofu, Tempeh, Nüsse, Tahin und Sojaprodukte.
       
       „Einige vegane Kinder haben wegen des geringen Umfangs ihrer Nahrung
       Schwierigkeiten, genügend Kalorien aufzunehmen“, sagt der Mediziner.
       „Kinder haben kleine Mägen und diese können gefüllt sein, bevor sie
       ausreichend wachstumsfördernde Lebensmittel verzehrt haben.“ Wichtige Fette
       und ausreichend Kalorien könnten über Avocados, Nüsse, Nussmusen, Leinöl,
       Samen und Samenbutter aufgenommen werden.
       
       ## Ernährungsberatung ratsam
       
       Pflanzliches Eisen wird vom Körper schlechter als tierisches aufgenommen,
       jedoch kann die Aufnahme verbessert werden, wenn das pflanzliche Eisen mit
       Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln wie Orangensaft oder püriertem Obst
       kombiniert wird. Hier sind insbesondere grüne Smoothies eine vollwertige
       Nahrungsquelle.
       
       Müller rät allen Eltern, die ihr Kind vegan ernähren wollen, eine
       Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen. Obwohl er kein Kinderarzt sei,
       hätten ihn mehrfach Eltern um Rat gefragt, da ihre KinderärztInnen ihnen
       grundsätzlich von einer veganen Kinderernährung abgeraten hätten. „Die
       Ernährung spielt kaum bis gar keine Rolle in der Ausbildung zum Arzt. Ich
       empfehle den Gang zum Ernährungsberater oder Ernährungsmediziner“, sagt
       Müller.
       
       ## Nicht mit USA vergleichbar
       
       Das amerikanische Pendant zur DGE, die Academy of Nutrition and Dietetics,
       sieht eine gut geplante vegane Ernährung für alle Lebensphasen als geeignet
       an. Zudem verringere sie das Risiko, an der ischämischen Herzkrankheit,
       Diabetes, Adipositas und Bluthochdruck zu erkranken. Die DGE bleibt dennoch
       skeptisch. „Nordamerikanische Studien können nicht zwangsläufig auf die
       deutsche Bevölkerung übertragen werden“, schreibt sie in ihren Empfehlungen
       zur veganen Ernährung. In Nordamerika seien im Vergleich zu Deutschland
       grundsätzlich deutlich mehr mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte
       Lebensmittel auf dem Markt. Daher sei die Versorgung mit den kritischen
       Nährstoffen in diesen Ländern gegebenenfalls einfacher realisierbar.
       
       18 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Vanessa Reiber
       
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