# taz.de -- TSG Hoffenheim in der Fußballbundesliga: Schnell gewachsen
       
       > Die TSG Hoffenheim spielt so, wie Trainer Nagelsmann sie coacht:
       > flexibel, mutig, klug. Die Qualifikation für die Champions League ist in
       > Reichweite.
       
 (IMG) Bild: Mit ihm kam der Erfolg nach Hoffenheim zurück: Julian Nagelsmann
       
       Hoffenheim taz | Wer durch den sogenannten Kraichgau fährt, den Wikipedia
       nicht ohne Grund stocknüchtern als „Hügellandschaft im Nordwesten
       Baden-Württembergs“ beschreibt, sieht derzeit auffällige Plakate, mit denen
       die TSG Hoffenheim für ihre Heimspiele gegen Mainz 05 und Darmstadt 98
       wirbt.
       
       Auf den herrlich altmodischen Werbebannern, die an Bäumen und Litfaßsäulen
       in Dörfern wie Zuzenhausen kleben, sind drei junge Männer in kämpferischer
       Pose zu sehen: Niklas Süle, 21, Nadiem Amiri, 20, und Julian Nagelsmann,
       29. Die Inszenierung und die Auswahl der Protagonisten passt perfekt zur
       derzeitigen Lage der TSG.
       
       Bevor sich die Hoffenheimer aber in der Heimat präsentieren, steht zum
       Rückrundenauftakt erst einmal das Spitzenspiel diesen Samstag in Leipzig
       an: Der Tabellenzweite RB empfängt den noch ungeschlagenen Dritten aus
       Hoffenheim. Spötter sprechen vom Plastikklub-Gipfel, Genießer freuen sich
       auf das Aufeinandertreffen der zwei innovativsten Mannschaften der Saison.
       „Das ist ein geiles Spiel, wir sind heiß“, sagt TSG-Mittelfeldspieler
       Nadiem Amiri.
       
       Das Plakat mit Amiri, Süle und Nagelsmann symbolisiert gut, dass der Klub,
       der sich einst auf die Jugendarbeit konzentrierte und sich zwischendurch
       dabei ziemlich verirrt hat, nun ganz bei sich ist. Acht Talente aus dem
       eigenen Nachwuchs stehen im Profikader und trainiert wird dieser vom
       ehemaligen Ausbilder Julian Nagelsmann. Verteidiger Süle, der im Sommer für
       20 Millionen Euro wie Mittelfeldspieler Sebastian Rudy (ablösefrei) zum FC
       Bayern wechseln wird, ist dabei das erste Talent aus der TSG-Akademie, das
       bis in die A-Nationalmannschaft durchstartete. Amiri gilt als eine der
       größten Mittelfeldhoffnungen des Landes.
       
       ## Immer weider unberechenbar
       
       Der Kraichgau-Blues, der noch vor knapp einem Jahr hier die Stimmung
       drückte, ist längst vertrieben. Mit der Ablösung des knorrigen, alten Huub
       Stevens, dessen vermeintliche Rettungsmission gescheitert war, setzte mit
       der Ernennung des jüngsten Bundesliga-Trainers aller Zeiten nicht nur ein
       Generationenwechsel ein. Nagelsmann hat innerhalb von elf Monaten aus einen
       Abstiegskandidaten einen Champions-League-Anwärter gemacht.
       
       Schon wie der pfiffige junge Mann den Kampf gegen den Abstieg anging, war
       besonders. Nagelsmann hielt nichts von der gängigen Theorie, nach der
       Abstiegskandidaten zuerst hinten dicht machen müssten. Wer nicht absteigen
       wolle, müsse Spiele gewinnen, erklärte Nagelsmann und läutete damit in
       Hoffenheim einen Mentalitätswandel ein: Siegeswille und Erfolgshunger
       lösten Zauderhaftigkeit und Selbstzufriedenheit ab.
       
       Die Einkaufspolitik letzten Sommer beflügelte die Veränderung: Der
       unkonventionelle Stürmer Sandro Wagner oder Innenverteidiger Kevin Vogt
       brachten Körpergröße und Härte ins nach wie vor technisch gute Spiel. Die
       TSG spielt mittlerweile so, wie ihr Trainer coacht: flexibel, mutig, klug
       und unberechenbar. Der Trainer lebt den Mut vor, der die Mannschaft trägt.
       
       ## Marktwerte gesteigert
       
       Beim erstaunlich souveränen 2:0-Sieg letzte Woche in Augsburg wechselte
       Nagelsmann beim Stand von 1:0 für einen nominellen Verteidiger den Stürmer
       Andrej Kramaric ein – der prompt das 2:0 erzielte. Dass die mitunter
       überraschenden Maßnahmen des Trainers fast immer Erfolg bringen, stärkte
       dessen Standing. Der Trainer und der Klub konnten, getrieben durch den
       neuen Geist, schnell wachsen.
       
       Der Klub von Mäzen Dietmar Hopp trägt sich mittlerweile auch wirtschaftlich
       selbst, die Verkäufe von Firmino (Liverpool, Ablösesumme: 40 Millionen
       Euro), Kevin Volland (Leverkusen, 20 Millionen Euro) oder jetzt Süle
       ermöglichen es. Auch Spieler wie Nadiem Amiri, Jeremy Toljan, Mark Uth
       steigern ihren Marktwert von Woche zu Woche. Und Nagelsmann wird längst als
       potenzieller Trainer des FC Bayern gehandelt. Dass in Süle und Rudy zwei
       Säulen den Klub verlassen, hat für Nagelsmann sogar einen Reiz. „Dann sind
       Manager Alexander Rosen und ich in der Kaderplanung im Sommer gefordert.“
       
       Der Vertrag von Nadiem Amiri, an dessen Verpflichtung unter anderem schon
       RB Leipzig Interesse zeigte, läuft im Sommer 2018 aus. Der Techniker mit
       afghanischen Wurzeln wohnt noch bei den Eltern in Ludwigshafen. Er sagt:
       „Dort bleibe ich noch wohnen, solange ich hier spiele. Mein Ziel ist es,
       irgendwann Champions League zu spielen, am besten so schnell wie möglich.“
       
       28 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Schächter
       
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