# taz.de -- Endlich Neujahr: Die kleine Chance
       
       > „Das schlimmste Jahr seit Langem“ ist vorbei. Damit das nun beginnende
       > 2017 besser wird, hilft nur eines: Freundlichkeit.
       
 (IMG) Bild: Eine Form der scheinbaren Apokalypse: Donald Trump
       
       Wenn ich mich so im Kreis der wenigen noch lebenden Bekannten umhöre, mache
       ich die überraschende Erfahrung, dass viele mit dem abgelaufenen Jahr
       unzufrieden sind.
       
       „Zu viel Krieg“, klagen die einen, „zu viel Terror“ die anderen. Dritte
       geben zu bedenken, dass sich das Internet längst als darwinistisches
       Eigentor vom Kaliber jenes flugunfähigen und viel zu fetten Vogels erwiesen
       hat, und die Menschheit über die Zwischenhalte Aggression, Hass und
       Wahnsinn zum Endbahnhof Untergang befördert. Und zwar ohne Verspätung und
       mit Platzreservierung.
       
       Den Vierten sind heuer wiederum zu viele Musikanten gestorben. Doch damit
       muss man bei denen immer rechnen: Das sind nun mal Leute, die oft nicht
       besonders gesund leben. Drogen, fettes Essen, zu wenig Gemüse, zu viele
       undefinierbare Geschlechtspartner und auch die gewissenhafte Einhaltung der
       Nachtruhe ist eher die Ausnahme denn die Regel.
       
       Das Jahr 2016 sei jedenfalls das „schlimmste Jahr seit Langem“ gewesen,
       schallt es relativ unisono durch die arg gelichteten Reihen, „ein
       Katastrophenjahr“, „hoffentlich bald zu Ende“ und das neue könne ja nur
       besser werden.
       
       ## Hypokrit
       
       Nun fragt man sich schon, worauf sich die Hoffnung gründen soll. Aber eine
       kleine Chance gibt es natürlich: Vielleicht merken diejenigen, die Terror,
       Krieg und Tod verbreiten, endlich mal, dass sie mit dieser Methode kaum
       Sympathie für ihre ohnehin fragwürdigen Anliegen zu wecken vermögen. Vor
       allem die Opfer schalten dann ganz schnell auf stur. „Tötest du das Huhn,
       so tötest du auch das Ei“, wusste bereits Hypokrit. Anschläge sind
       nachweislich extrem unbeliebt.
       
       Ein ebenfalls denkbares Ziel der Täter, nämlich einfach alle umzubringen,
       dürfte hingegen an der schieren Masse scheitern, auch wenn die Experten
       speziell in Syrien wirklich ihr Bestes gegeben haben.
       
       Jede mittelprächtige Werbeagentur würde doch nun angesichts des
       ausbleibenden Erfolgs der Kampagne die Strategie ändern, sofern sie nicht
       vollkommen irre ist. Und da wir das vom Personal des „IS“ natürlich
       keinesfalls annehmen, denke ich mir, dass sie es eines Tages checken
       müssen: Die Peitsche hat versagt, jetzt gibt es Zuckerbrot. Vielleicht 2017
       einfach mal heiße Suppe an die Bedürftigen verteilen. Den Mitmenschen die
       Kaufhaustür aufhalten.
       
       Der Schlüssel heißt Freundlichkeit: Oft bewirkt selbst ein kleines Lächeln
       Wunder; es pflanzt sich fort und macht dann für viele den Tag ein bisschen
       heller, selbst im Winter. Es muss gar nicht immer Mord sein. Frauen
       reagieren auf einen Blumenstrauß deutlich weniger gereizt als auf ein
       Säureattentat. Nur Mut, Freunde, versucht es einfach mal: Euch fällt dabei
       schon kein Zacken aus der Krone!
       
       ## Überdramatisierung
       
       Doch woher kommt diese präapokalyptische und von keiner Statistik getragene
       Überdramatisierung von 2016? Vielleicht ist es das schlechte Gewissen der
       gesellschaftlichen Mitte. Denn erst kamen die Bilder, dann kamen die
       Menschen, und danach blieben die Menschen weg, doch man wusste genau, dass
       man sie mal wieder verraten hatte.
       
       Nach den Maßstäben dieser Mitte wäre es unterbewusst nur fair, wenn eine
       höhere Instanz ihr nun die Rechnung präsentieren würde. In Form der
       scheinbaren Apokalypse.
       
       Fast möchte man da die originär (Unge-)Rechten beneiden um ihren guten
       Schlaf, der ihnen geschenkt wird vom festen Irrglauben daran, dass ihnen
       ihre Privilegien tatsächlich zustehen, weil sie ihnen von Gott oder Hitler
       oder ihren Eiern verliehen wurden. Die werden natürlich ein großartiges
       Jahr 2017 erleben, so oder so.
       
       Denn wie heißt es schon bei Lars von Trier („The Kingdom“): Die Guten
       werden weinen und die Bösen werden lachen.
       
       1 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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