# taz.de -- Die Wahrheit: Klassistischer Auftritt als Kaffeetante
       
       > Trotz zahlreicher Benimmratgeber gibt es bisher keine verbindliche
       > Etikette für den Umgang mit Handwerkern in der eigenen Wohnung.
       
 (IMG) Bild: Folgt Sebastian Kurz schon den Spuren Jörg Haiders?
       
       Viel und leidenschaftlich beschwert man sich hierzulande über Handwerker.
       Unzuverlässig seien sie, heißt es, Fantasiepreise verlangten sie, seit
       Jahrzehnten werde man von ihnen „belochen und betrochen“. Im Großen und
       Ganzen also hole man sich mit einem Handwerker zum geplatzten Siphon oder
       überquellendem „Hygieneporzellan“ (Peter Hein) nur eine weitere Katastrophe
       ins Haus.
       
       Nun gehöre ich nicht zu jenen Menschen, die sich auf die eigene
       Ungeschicklichkeit etwas einbilden, die sich schon blaublütig wähnen, nur
       weil sie zu blöd sind, eine Schraube zu drehen. Im Gegenteil, bis zu einem
       gewissen Grad übernehme ich derartige Arbeiten gern. Umso ungünstiger die
       Tatsache, dass ich tatsächlich keinerlei Handwerksgeschick besitze und
       meine Versuche, Gegenstände zu reparieren, eher heimtückischen
       Sabotageakten am eigenen Hab und Gut gleichen.
       
       So bin ich stets klaglos dankbar für professionelle Hilfe – mein Problem
       mit Handwerkern ist ein gänzlich anderes: Wie sich verhalten, sind sie erst
       einmal in der Wohnung? Gibt es einen Knigge für adäquates Benehmen bei
       Handwerkerbesuch? Wie auftreten? Wie sich kleiden? Leger verbietet sich,
       will man die himmelschreiende Überflüssigkeit der eigenen Existenz nicht
       noch mit drei Ausrufezeichen betonen. Ebenfalls Handwerkerkluft? Als
       solidarisches Willkommen, im Sinne von „Ich habe noch überlegt, ob ich es
       selbst mache, aber dann hab ich doch mal bei euch angerufen“? Nächstes
       Problem: Interaktion. Verfalle ich in die mitdenkende Beobachterrolle?
       Biete ich ein Kissen für dieses Knie an, das da auf dem Plattenboden kniet?
       Nein, um Gottes willen, furchtbar!
       
       Serviert man Kaffee? Wenn ja, mit Untertasse oder ohne? Schwierig wird es
       bei Gleichaltrigen. Der Auftritt als Kaffeetante erscheint hier seltsam bis
       grotesk, da kann man auch gleich im Ohrensessel sitzen und, ohne zu
       blinzeln, eine Langhaarkatze streicheln. Lässiger wäre es sicherlich, ein
       Bier anzubieten. Morgens um halb elf ist aber auch das keine Option und
       fällt negativ auf den Gastgeber zurück – als klassistisches Anbiedern unter
       Verwendung uralter Stereotype. Der Handwerker von heute, stelle ich mir
       vor, ist mindestens vegetarisch, nicht selten straight edge und liest die
       Zeit, alternativ: Geo.
       
       Nochmals schwieriger wird das Ganze, befindet man sich im
       Singleappartement, früher schlicht „Studentenbude“ genannt, mit nur einem
       Zimmer. Die Einrichtung besteht aus einem „Pulp-Fiction“-Poster, einem Bett
       und mehreren Dingen, die konzentrisch drum herum liegen. Wer nicht für die
       Dauer der Handwerkerheimsuchung aufs Klo (sofern nicht Ursache des Besuchs)
       verschwindet, um damit freilich Irritationen anderer Natur hervorzurufen,
       ist zur Anwesenheit gezwungen.
       
       Ist es höflich, gar erwünscht, sich apathisch in Laptop oder Buch zu
       versenken? Oder gilt es als bösartige Geringschätzung und
       Teilnahmslosigkeit? Darf ich hysterisch schreiend aus der Wohnung stürmen?
       All das könnte ich beim nächsten Mal ja einfach fragen, fällt mir ein.
       
       22 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Lichter
       
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