# taz.de -- Statt Blumen
> VERFÜGUNG Die Deutschen spendeten 2015 über 5 Milliarden Euro, vor allem
> das Erdbeben in Nepal und die Flüchtlingskrise brachten Geld in die
> Kassen sozialer Organisationen. Auch Erbschaften werden vermacht
(IMG) Bild: Eine Menschenkette transportiert Spenden zur Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf
Von Christine Berger
Naturkatastrophen in Haiti und Nepal, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, von
Plastikpartikeln verseuchte Meere, schwindende Regenwälder, bedrohte
Gorillas oder einfach Wikipedia – Spenden werden weltweit dringend
benötigt, um zu helfen oder zu bewahren. Mit Spendenkampagnen kämpfen
gemeinnützige Hilfsorganisationen wie WWF, Brot für die Welt oder Ärzte
ohne Grenzen um die überschüssigen Geldbeträge in den deutschen Haushalten.
Gerade vor Weihnachten wird häufig an die Nächstenliebe appelliert, und
etliche Zeitungen sorgen mit Reportagen über Bedürftige dafür, dass für
soziale Projekte gespendet wird. Offensichtlich erfolgreich: Mit 5,53
Milliarden Euro war das vergangene Jahr ein Rekordjahr, was das
Spendenvolumen in Deutschland betrifft. Dabei waren Erbschaften und Spenden
an politische Parteien und Organisationen sowie Großspenden über 2.500 Euro
in der Summe noch nicht mal enthalten.
Dass die Spendenbereitschaft, verglichen mit dem Vorjahr, um über 11
Prozent gestiegen ist, hat vor allem mit der Flüchtlingswelle zu tun. Die
sorgte dafür, dass im Herbst 2015 besonders viel im Säckel der
Hilfsorganisationen landete. Laut deutschem Spendenrat gaben 34 Prozent
aller Deutschen über zehn Jahren in 2015 etwas von ihrem Einkommen ab, um
anderen zu helfen. Im Durchschnitt waren dies 37 Euro pro Person. Auch in
diesem Jahr wurde wieder üppig gespendet, bis September 2016 waren immerhin
schon über 3 Milliarden Euro überwiesen. Und das, obwohl in diesem Jahr
bisher keine größere Naturkatastrophe zum Helfen animiert hat.
International gesehen steht Deutschland in puncto Hilfsbereitschaft auch
immer besser da: auf Platz 20 (2014: Platz 28) von 145 Ländern, die für den
World Giving Index untersucht wurden. Dieser Index der britischen
Organisation Charities Aid Foundation misst, wie viele Menschen jährlich im
jeweiligen Land Geld an Hilfsorganisationen spenden, jemandem helfen oder
in einer Organisation ehrenamtlich mitarbeiten. Zum Vergleich: Das kleine
Land Myanmar führt die Tabelle an. Die USA belegen Platz zwei,
Großbritannien liegt auf Platz sechs. Dort, wie auch in anderen anglofonen
Ländern, gibt es eine lange und umfassende Charity-Tradition, etwa durch
die Wohltätigkeit (unabhängiger) Kirchengemeinden.
„In Deutschland ist traditionell eher der Staat für die Sozialpolitik und
die Umverteilung zuständig“, erklärt Hans-Heinrich Bass, Professor für
Volkswirtschaftslehre an der Universität Bremen, den Unterschied. Durch die
Einführung der Sozialversicherungen (Unfall-, Kranken- und
Rentenversicherung) durch Bismarck sei das Deutsche Kaiserreich weltweit
zum sozialpolitisch fortschrittlichsten Land geworden.
Allerdings gibt es auch in Deutschland eine lange Tradition privater
Wohltätigkeit. In der großen Hungersnot vor genau zweihundert Jahren (1816)
wurden etwa im Rheinland so genannte Kornvereine gegründet, die billiges
Getreide an die Armen verteilten – quasi die Vorläufer der heutigen
„Tafeln“. Auch heute wird nicht nur Geld gespendet, sondern Zeit, Essen und
alles, was sonst noch gebraucht wird. Die GfK-Studie „Bilanz des Helfens“,
die jährlich im Auftrag des Deutschen Spendenrats durchgeführt wird, zeigt:
47 Prozent der Bundesbürger haben sich 2015 für Flüchtlinge in Deutschland
engagiert, 34 Prozent beteiligten sich mit Sachspenden. Überproportionales
Engagement für Flüchtlinge legten die über 60-Jährigen an den Tag, wie die
Studie zeigt.
Die Älteren sind es auch, die immer öfter in ihrem Testament verfügen, dass
ein Teil ihres Erbes gespendet werden soll. Wie hoch diese Summe genau ist,
kann der Spendenrat, der die Spendenbereitschaft jährlich evaluieren lässt,
nicht erfassen. Die tatsächlichen Zahlen haben nur die Finanzämter, und
diese dürfen aufgrund des Steuergeheimnisses keine Auskünfte geben. Ärzte
ohne Grenzen, Amnesty International und Greenpeace haben extra
Beratungspersonal abgestellt, um Interessierte fachkundig zu unterstützen,
wenn sie ihr Erbe vermachen wollen.
Mithilfe einer Broschüre erklärt Greenpeace zudem, wie man es richtig
angeht: Vom handschriftlichen Testament in der Kommode bis zum Erbvertrag
wird Schritt für Schritt erklärt, wie man sein Vermögen hinterlässt,
inklusive vorformulierter Modellfassung. Praktisch ist, dass Greenpeace die
Ratschläge so allgemein hält, dass man den Leitfaden generell als
Testamentsanleitung nutzen kann. Ärzte ohne Grenzen erhielt 2015 rund 9
Millionen Euro über Erbschaften bei über 100 Millionen Euro Spendenvolumen
insgesamt.
„Zum überwiegenden Teil der Erblasser hatten wir zuvor nie Kontakt“,
erklärt Verena Schäfer, Bereichsleiterin in der Spendenabteilung der
Hilfsorganisation. Ärzte ohne Grenzen bietet auch ausführliche
Informationen und Veranstaltungen rund ums Thema Erbrecht. „Häufig gibt es
keine gesetzlichen Erben, und daher wird zu Lebzeiten geschaut, wohin das
Erbe gehen könnte“, so Schäfer. Wer keine Regelungen trifft, vererbt
automatisch an den Staat.
Viele gemeinnützige Träger bieten auch den Service einer Gedenkspende an,
das heißt, man kann nach dem Tod in einer Traueranzeige das Spendenkonto
nennen, damit Geld gespendet werden kann – statt Blumen oder Kränze
beispielsweise. Der Vorteil der sogenannten Kranzspende: Alle Geldgeber
bekommen jeweils eine Spendenquittung über ihren Betrag (ab 20 Euro)
ausgestellt, die steuerlich geltend gemacht werden kann. Um eine
Gedenkspende zu initiieren, müssen die Hinterbliebenen den Namen des
Verstorbenen, das Beerdigungsdatum und Ähnliches der Organisation melden.
Natürlich kann man auch anlässlich von Hochzeiten, Geburtstagen und
Jubiläen ein Spendenkonto einrichten, das nennt sich dann Geschenkspende.
Oder zu Weihnachten: Statt Geschenke auszutauschen, die keiner braucht,
sammeln Familien, Betriebe oder Vereine gemeinsam für einen guten Zweck.
Und sparen sich den Stress mit dem Umtauschen.
Links zum Thema:
www.spendenrat.de
www.aerzte-ohne-grenzen.de/testamentsspende
www.greenpeace.de/spenden/spenden-zu-besonderen-anlaessen
www.amnesty.de/2015/1/28/ihr-vermaechtnis-fuer-menschenrechte
3 Dec 2016
## AUTOREN
(DIR) Christine Berger
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