# taz.de -- Weihnachtszeit ist Paketezeit: Wenn der Bote nicht mehr klingelt
       
       > Online zu bestellen, ist scheinbar so einfach, so bequem. Doch das dicke
       > Ende kommt meist – am Ende. Wenn die Pakete einfach nicht ankommen. Eine
       > Suche.
       
 (IMG) Bild: Kein DHL-Bote wollte für die taz seinen Namen nennen oder sich mit Gesicht zeigen
       
       Die Rettung ist eine E-Mail, die stark nach Spam aussah: „Bitte bewerten
       Sie ihren Einkauf“, schreibt da ein Elektronik-Supermarkt. Fast hätte ich
       sie tatsächlich weggeklickt, bis mir einfiel, dass es sich bei dem Einkauf
       wohl um den Tablet-Computer handelt. Den hatte ich tatsächlich zwei Wochen
       zuvor online dort bestellt. Seitdem wartete ich darauf, dass das Ding
       endlich eintreffen würde.
       
       Seit meiner Bestellung hatte ich nichts mehr gehört. Einen Zettel im
       Briefkasten, dass mein Paket vielleicht nicht zugestellt werden konnte,
       weil ich nicht zu Hause war, hatte ich bisher auch nicht bekommen. Doch mit
       der E-Mail wird klar: Mein Paket – Warenwert ein paar hundert Euro – ist
       längst da.
       
       Nur wo?
       
       Ein Anruf bei der tatsächlich sehr freundlichen Kundenhotline des
       Elektronik-Supermarkts ergibt schnell, dass die Lieferung bei meinem
       „Wunschnachbarn“, einem Hermes-Shop bei uns im Haus, abgegeben worden sei.
       Ich stutze: Das Paket sollte eigentlich von DHL zugestellt werden, so viel
       wusste ich aus der Bestellung, nicht von deren Konkurrenz. Und einen
       Hermes-Shop bei uns im Haus gibt es nicht. Was tun?
       
       ## Blöde billige Konsumversprechungen!
       
       Langsam wird mir bewusst, dass der Onlineeinkauf bei Weitem nicht so
       entspannt abläuft wie gedacht. Und wie von den Onlinehändlern immer
       suggeriert wird. Da sitzt man am Küchentisch oder auf dem Sofa oder sogar
       in der Badewanne und bestellt Dinge, die man manchmal dringend braucht,
       manchmal lediglich ausprobieren möchte, manchmal nur mitnimmt, weil es
       gerade billig ist oder sonst wie jetzt oder irgendwann passen könnte. Kommt
       ja einfach zu Hause vorbei. Blöde billige Konsumversprechungen!
       
       Dabei ist einem ja bewusst, dass man nur selten tagsüber zu Hause ist und
       das Paket persönlich annehmen kann. Und man weiß aus Erfahrung, dass man,
       selbst wenn man zu Hause ist, oft am Ende des Tages einen Zettel aus dem
       Briefkasten fischt, dass man leider nicht angetroffen worden sei. Viele
       Paketboten klingeln einfach nicht mehr oder – wenn’s gut läuft – nur bei
       einer Partei im Haus, wo sie dann alles abladen.
       
       Um mein Paket aufzutreiben, beschließe ich, eine Runde um den Block zu
       drehen und im nahen Buchladen zu fragen, ob da was angekommen sein könnte
       für mich, schließlich nimmt der Laden DHL-Pakete entgegen. Dann laufe ich
       zu einer Reinigung, die auch als Hermes-Shop dient. Und ich frage den
       Spätkauf im Haus, ob er nicht mein „Wunschnachbar“ sein könnte.
       
       Es dauert etwa 20 Minuten, um mir bei allen Läden Abfuhren abzuholen. Die
       nächste echte Filiale des Elektronik-Supermarktes, wo es den Kleincomputer
       auch gegeben hätte, ist mit dem Fahrrad keine zehn Minuten entfernt.
       
       ## „Ich hab hier noch 200 Pakete auf Lager“
       
       Immerhin gibt mir der Verkäufer im Spätkauf den Tipp, die Straße runter in
       einem anderen Spätkauf nachzufragen. Dort würden die Paketdienste ihre
       Sachen abwerfen, wenn sie sie nicht zugestellt bekämen. Oder keine Lust
       mehr hätten. Oder sonst was nicht passen würde.
       
       Später am Abend fahre ich dort vorbei. Dem Verkäufer, Cem heißt er, ist
       meine Nachfrage vertraut; kurz vor mir holt jemand ein Paket ab, nach mir
       auch. Dazwischen kauft eine Frau zwei Bier. „Dass du keinen Zettel im
       Briefkasten hattest, ist völlig normal.“ Nach kurzer Suche kramt Cem aus
       einem Hinterzimmer mein Päckchen hervor. Und fragt: „Vermisst du noch ein
       anderes Paket? Ich hab hier noch 200 auf Lager.“
       
       Der Text ist Teil des Schwerpunktes über den Paketwahnsinn in der
       Print-Wochenendausgabe von taz.Berlin.
       
       3 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
       
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