# taz.de -- taz. thema : Von Glühwein bis Design
       
       > Bummeln Angefangen vom Holy Shit Shopping bis zum Naschmarkt für Veganer
       > fährt die Kreativszene der Hauptstadt vor Weihnachten für fast jede
       > Zielgruppe mächtig auf. Einige buhlen schon im November um Kunden. Ein
       > Blick auf die bunte Mischung der Berliner Weihnachtsmärkte
       
 (IMG) Bild: Der Weihnachtsmann fliegt tief über die Berliner Weihnachtsmarktbuden
       
       von Christine Berger
       
       Es nieselt oder nebelt, klamme Finger wärmen sich am heißen Becher voll
       Glühwein, irgendwo zuppelt ein Weihnachtsmann vertrocknete Mandarinen aus
       einem Kartoffelsack, während Kinder, von Zuckerwatte verklebt, auf grellen
       Karussells sitzen und in die Armada an Handykameras lächeln, die Eltern am
       Rand in Stellung gebracht haben. Uff.
       
       Zum Glück geht Weihnachtsmarkt auch anders, jedenfalls in Berlin.
       Angefangen vom Holy Shit Shopping bis zum Naschmarkt für Veganer fährt die
       Kreativszene der Hauptstadt vor Weihnachten mächtig auf. Viele Heim- und
       Hobbybastler haben das ganze Jahr über gewerkelt und geübt, um in den vier
       Wochen vor dem Heiligen Abend die Ernte einzufahren, sprich Kohle zu
       machen. Damit man sich untereinander nicht zu viel Konkurrenz macht, fängt
       die Szene immer früher an, sich in Stellung zu bringen, mittlerweile
       eigentlich rund ums Jahr, denn immer öfter gibt es monatlich stattfindende
       Design-Märkte, die sich im Advent einfach den Beinamen Weihnachtsausgabe
       geben. Den Auftakt in die teuerste Saison des Jahres richtet diesmal wieder
       die Lichtenberger Victoriastadt aus mit dem „Total verfrühten
       Weihnachtsspaziergang“, einer Initiative verschiedener lokaler
       Gewerbetreibender, die heute und morgen mit Ballons gekennzeichnet auf ihre
       Geschenkangebote aufmerksam machen: Kunst und Handwerk in Ateliers,
       Galerien, Läden, Cafés und Restaurants.
       
       Ein Urgestein im Berliner Märkte-Mekka ist der Umwelt- und Weihnachtsmarkt
       in der Sophienstraße in Berlin-Mitte. Er findet bereits zum 21. Mal an
       allen Adventswochenenden statt und wartet jährlich verlässlich mit
       Biohausschuhen, selbst gestrickten Mützen, ungewöhnlichen
       Schmuckkreationen, Papiersternen aller Art und vielem anderen auf, was man
       im Einzelhandel selten zu Gesicht bekommt. Dafür sorgen mehr oder weniger
       talentierte Bläser für musikalische Unterhaltung, und natürlich gibt es
       auch anständigen Glühwein und Biobratwurst. Ruhig ist es hier, ein Markt
       eher für Erwachsene, weshalb Kinder nach kurzer Zeit wieder wegwollen, denn
       für sie ist dort so gut wie nichts los. Dagegen ist der Skandinavische
       Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei mit Elchbratwurst (schmeckt!) und
       historischem Kettenkarussell sowie Lagerfeuer und Geschicklichkeitsklettern
       für Groß und Klein ein Erlebnis. Allerdings ist es am Wochenende dort
       häufig so voll, dass kaum ein Durchkommen ist, Tipp: gegen 18 Uhr hingehen,
       dann sind die meisten Familien schon wieder weg und die anderen noch nicht
       da.
       
       Wer sich früh auf Geschenkejagd der anderen Art macht, ist vielleicht
       früher fertig. Die Aussichten sind jedenfalls gut, wenn man den Holy Shit
       Shopping Weihnachtsmarkt am 2. Advent im Kraftwerk Mitte besucht. Über 300
       (!) Designer buhlen hier um die Gunst des Geldbeutels – eine wilde Mischung
       aus kreativem Mode-, Schmuck- und Produktdesign. Als Entscheidungshilfe
       legen DJs auf, und nach dem dritten Glühwein findet man auch ein silbernes
       Elchkettchen für den Lebenspartner witzig. Hier ist allerdings der Eintritt
       mit 5 Euro beachtlich, was aber angesichts der Zielgruppe wohl kein Problem
       ist, jedenfalls waren die Schlangen vor dem Eingang in den Jahren zuvor
       mitunter beachtlich.
       
       Kein Bock auf Tier? Dann sollte man den Green Market in der alten Kindl
       Brauerei Neukölln besuchen am 17./18. Dezember. Da kommt der Weihnachtsmann
       sicherlich zu Fuß, denn sein Rentier soll schließlich lieber im Wald die
       jungen Bäume anknabbern. Auch sonst ist alles im Sinne tierischer Freiheit,
       Bienenwachskerzen jedenfalls sucht man auf dem „ersten veganen Lifestyle
       Markt“ vergeblich. Dafür versprechen die Veranstalter Mode, Kosmetik und
       handgemachte Geschenkideen, Livemusik sowie Koch-Shows, alles im Dienste
       des Veganismus.
       
       Und was geht in Kreuzberg? Kreuzboerg. So heißt ein Weihnachtsmarkt in der
       Heeresbäckerei an der Spree, der am dritten Adventwochenende
       anspruchsvollen und kreativen Konsumrausch verspricht. 70 Mode-, Design-
       und Kunsthandwerkhändler bieten auf zwei Etagen ihre Waren feil, und das
       ist laut Veranstalter schön, selbst gemacht, Unikat und/oder antik. Dazu
       gibt es ein Bühnenprogramm und natürlich Glühwein, Waffeln etc.
       
       Hier kostet der Eintritt allerdings 4 Euro, was den einen oder anderen
       minderbemittelten Kreuzberger abhalten könnte, die Show zu besuchen. Was
       wiederum wahrscheinlich auch gewollt ist. Da ist die Weihnachtsausgabe des
       Weddingmarktes wohl eher etwas auch für kleine Geldbeutel, da erstens kein
       Eintritt und zweitens viele auch günstige Mitbringsel für unter den
       Weihnachtsbaum. An 60 Ständen wird am 18. Dezember Kunst, Schmuck, Design
       oder Malerei verkauft. Das Urban Gardening Projekt Himmelbeet bringt Honig,
       Kräuteröle, Essige, Schnäpse, Salze und Sirup mit Zutaten aus dem Anbau um
       die Ecke mit. Noch regionaler einkaufen geht kaum. Nebenan in Moabit wird
       in der schönen Arminius-Markthalle an zwei Adventssamstagen ebenfalls alles
       aufgefahren, was die Nachbarschaft Kreatives schafft: Artminius21 – Markt
       für Kunsthandwerk & Design hofft am 3. und 17. Dezember auf kaufkräftige
       Kundschaft.
       
       Ein Newcomer unter den Märkten ist das Weihnachts-Kaos: Die Kreative
       Arbeitsgemeinschaft Oberschöneweide verwandelt die von ihr genutzte
       Industriehalle am 3. Adventswochenende in einen Handwerksmarkt mit Design
       und kunsthandwerklichen Produkten. Als Beilage werden Lichtinstallationen,
       3-D-Animationen, Musik und Puppentheater für Kinder serviert.
       
       Und schließlich der Klassiker: Weihnachtsrodeo. Schön schräg – das ist das
       Motto des Designmarkts im Postbahnhof mit 150 Ausstellern am 3. und 4.
       Advent. Hier gibt es auch einen Geschenke-Einpackservice, Kinderbasteln,
       und vielleicht kann man auch jemanden finden, der das Einkaufen übernimmt.
       Dann lässt sich der Tag nämlich prima in der Chillarea verbummeln.
       
       19 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christine Berger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA