# taz.de -- Problematisches Frauenbild
       
       > Konzertlesung Die Autorin Gioconda Belli berichtet über gesellschaftliche
       > Minenfelder Nicaraguas, begleitet vom Duo „Grupo Sal“
       
       Vom Autorenfoto lächelt die nicaraguanische Schriftstellerin Gioconda Belli
       am Montagabend verschmitzt in das überwiegend weibliche Publikum des
       Heimathafens Neukölln. Das Plakat kündigt sie als „kraftvolle Stimme aus
       Lateinamerika“ an, die zusammen mit dem argentinisch-portugiesischen Duo
       „Grupo Sal“ durch den Abend führt. Und Bellis Auftreten ist entschieden,
       auch in ihren teils fragwürdigen gesellschaftlichen Aussagen.
       
       Im Interview vor der Lesung äußert sie sich zunächst zur politischen Lage
       Nicaraguas. „Heutige lateinamerikanische Regierungen haben mit Vorurteilen,
       aber auch mit sich selbst zu kämpfen“, bemerkt sie anfangs vorsichtig,
       bevor sie auf die autoritäre Agenda Daniel Ortegas zu sprechen kommt,
       dessen erneute Wahl zum Staatspräsidenten Anfang November sie als „Farce“
       bezeichnet. Es sei im heutigen Nicaragua nicht von Demokratie zu sprechen,
       so die Autorin. Sie selbst hatte einst in der sandinistischen
       Aufstandsbewegung an der Seite Ortegas gegen das korrupte, kleptokratische
       Regime der Somoza-Familie gekämpft. Als Ortega aber als Präsident seine
       Herrschaft zum Patriarchat ausbaute, wurden sie und viele andere aus der
       ehemalig revolutionären Partei (FLSN) vertrieben, so Belli.
       
       Trotzdem präsentiert sie sich als ungebrochene Optimistin, bewahrt die
       Hoffnung auf Gerechtigkeit, eine waffenfreie Konfliktlösung und nicht
       zuletzt die politische Beteiligung der Frauen, was eines ihrer wichtigsten
       Anliegen darstelle. Doch ihre Bewertung des Potenzials von Frauen ist
       polemisch und bleibt dem Feminismus, der ihr gerne zugeschrieben wird, so
       einiges schuldig. Sie verkündet, dass Frauen ob ihrer „Neigung zur Pflege
       [...], Empathie und Wärme“ für das Weltgeschehen wichtige Fähigkeiten
       besäßen. Männer sollten sich jetzt mal ausruhen, erklärt Belli und erntet
       Lacher. In ihren Gedichten sind Frauen langhaarig und haben „runde Hügel“,
       sind eine „Menschenwerkstatt“.
       
       Man könnte diese Wortwahl als banal und uninteressant betrachten, wäre sie
       damit global nicht so erfolgreich. Der besondere Wert der von ihr
       beschriebenen Frau zeugt nicht von einem emanzipatorischen
       Selbstverständnis, betont vielmehr eine Rückbesinnung auf die Stärke der
       „Weiblichkeit“ der Frau. Damit polarisiert sie und greift auf
       präfeministische Rollenbilder zurück, die sie dem frauenfeindlichen,
       seinerseits von Genderstereotypen geprägten Regime Ortegas entgegenstellt.
       
       Ihr Frauenbild prägt auch Bellis neuen Roman, „Mondhitze“, in dem ihre
       Protagonistin, die reiche Mittfünfzigerin Emma, sich vor der bevorstehenden
       Veränderung ihres Körpers durch die einsetzenden Wechseljahre fürchtet.
       Erst die Gynäkologin wäscht ihr den Kopf. Ihre jetzige Macht bestünde
       „nicht darin …, den Paarungstanz zu tanzen oder die schönsten Federn zu
       tragen“, erst jetzt gehöre sie sich ganz selbst. Das Publikum kichert oft,
       doch leider wird der Humor überwiegend von einem unnötigen Herumtrampeln
       auf Stereotypen kreiert: Emma baut einen Autounfall, überfährt den
       Dorflüstling namens Ernesto, der sie noch lädiert auf der Straße liegend
       anflirtet, und ihrem Ehemann mangelt es an Einfühlungsvermögen, er schert
       sich statt des Verletzten eher um die schönen Autositzbezüge.
       
       Bellis Werk und die professionelle Übersetzung der Sprecherzieherin Viola
       Gabor wird oft mit Lachen belohnt. Auch die fetzigen Rhythmen und
       Gesangseinlagen der Musiker lockern den Abend dankbar auf. Allein scheint
       es, als habe die Schriftstellerin ihre politische Stimme der 80er Jahre
       mittlerweile der leichten Heiterkeit und der Belustigung der Massen
       geopfert. Was bleibt, ist ein großes Fragezeichen über den populären
       literarischen Aussagen Bellis. Katharina Schantz
       
       Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Kultur als Brücke“, mit der die
       Friedrich-Ebert-Stiftung, hier ihr Lateinamerika-Referat, regelmäßig
       Künstlerinnen und Künstler einlädt, die für internationale Verständigung
       eintreten.
       
       23 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schantz
       
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