# taz.de -- Genießen Sie den Klang
       
       > Konzert Chöre, Tänzer, Solisten: Die „Lange Tafel“ präsentierte in der
       > Berliner Philharmonie ein musikalisches Fest der Kulturen
       
       Arabischer Gesang ertönt aus dem Zuschauerraum des Kammermusiksaals der
       Berliner Philharmonie. Ein Chor auf einem der Ränge setzt ein und kontert
       mit klassischen Harmonien. Jetzt erscheinen Kinder auf der Bühne, rennen
       aufeinander zu, begrüßen und umarmen sich. Ihnen folgen Sänger und Musiker
       mit Instrumenten, bis die Bühne randvoll ist. Sie stimmen „We Are The
       World“ von 1985 an. Und das Publikum klatscht begeistert auf die Eins und
       die Drei mit. Das tut es auch bei der nächsten Einlage, als ein aus dem
       Iran geflüchteter Musiker zu seinem beatboxenden Mitschüler rappt.
       
       Die Berliner Initiative für generations- und kulturübergreifende
       Kommunikation „Lange Tafel“ hat am Mittwochabend in die Philharmonie
       eingeladen. Sie hat fünf Chöre, Tänzer, Schauspieler und Solisten,
       insgesamt über hundert Mitwirkende zusammengeführt zu einem Fest der
       Kulturen, bei dem kulturelle Werte, Brauchtümer und Fertigkeiten
       künstlerisch interpretiert werden sollen.
       
       Die Organisatorin des Abends, die Berliner Theaterregisseurin und Musikerin
       Isabella Mamatis, hat vorab erklärt, man werde in vielen Sprachen sprechen:
       „Wenn Sie nichts verstehen, dann lehnen Sie sich einfach zurück und
       genießen den Klang!“ Daraufhin übersetzen fünf Mädchen die Worte in andere
       Sprachen – simultan, von Mikrofonen verstärkt. Obwohl sich der Zuschauer
       herausgefordert fühlt, etwas zu verstehen, ist es unmöglich, eine Sprache
       davon herauszufiltern. Solches Nebeneinander wird den gesamten Abend
       prägen.
       
       Das Publikum wird immer wieder in Harmonien gewiegt und mit Disharmonien
       konfrontiert. Es wird oft gelacht, wenn aus dem Mix an Melodien bekannte
       Stücke wiederzuerkennen sind. Etwa das Präludium von Bachs erster Suite für
       Violoncello, das eine deutsch-irische Musikerin vorträgt. Ihr gegenüber
       sitzt eine thailändische Frau, die gleichzeitig auf der Erhu, einer
       chinesischen Laute, asiatische Klänge entgegensetzt. Freude kommt auch auf,
       als sich später zwei Solisten aus verschiedenen Ecken des Raumes zu singen.
       Die ukrainische Sopranistin stimmt „I Feel Pretty“ aus der West Side Story
       an, während ihr Partner mit ausdrucksstarkem Flamenco Paroli bietet.
       
       Um die Darbietung zu gliedern, betreten nach den Abschnitten immer wieder
       Moderatoren die Bühne und benennen die Mitwirkenden. Dabei versehen sie
       alle mit dem Attribut der Flucht, wollen klar machen, dass jeder Mensch vor
       etwas flieht: etwa vor der politischen Lage im Iran, der
       Perspektivlosigkeit oder der Realität des Alltags. Dann geht es weiter.
       
       Die Inszenierung hat auch Tanzeinlagen in petto. So treten zwei Berliner
       Trainer für Afrodance auf, begleitet von einem Paar, das Tango tanzt. Auch
       beteiligte Chöre präsentieren Choreographien. Oft sind viele Akteure
       zugleich auf der Bühne, was provokant wirkt: Im Publikum kann man sich
       nicht auf alles gleichzeitig konzentrieren, muss seine Aufmerksamkeit
       bündeln.
       
       Das kannzu spannenden Konfrontationen führen. Doch je länger die
       Inszenierung dauert, desto häufiger ermüdet die Darstellung. Die
       Anstrengung, jeder Gruppe genug Bühnenpräsenz bieten zu wollen, resultiert
       darin, dass die Darbietungen im Zusammenschluss zerpflückt wirken. Doch die
       meisten stört das nicht, und am Ende steht das gesamte Publikum auf und
       tanzt ausgelassen zur letzten Musikeinlage.
       
       Der Abend schließt eine dreiteilige Reihe ab, die von der „Langen Tafel“ im
       Sommer begonnen worden war. Zweimal hatte die Initiative auf Straßen in
       Neukölln und Kreuzberg eine Tischzeile aufgestellt, bei der Jung und Alt,
       Mit“wirkende und Passanten miteinander ins Gespräch kommen konnten. 
       
       Katharina Schantz
       
       11 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schantz
       
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