# taz.de -- Die Wahrheit: Ihr Kinderlein, kommet
       
       > Minderjährige Flüchtlinge, die in Großbritannien stranden, können froh
       > sein, wenigstens nicht ihre Kleidung ausziehen zu müssen.
       
       Kinder, wie die Zeit vergeht. Im Mai hatte sich die britische Regierung
       nach dem sogenannten Dubs Amendment verpflichtet, 3.000 minderjährige
       Flüchtlinge aufzunehmen, und schon standen vorvergangenen Samstag die
       ersten vor der Tür. Im Innenministerium brach daraufhin Panik aus, denn man
       hatte in den vergangenen fünf Monaten nichts vorbereitet und musste nun
       binnen fünf Stunden handeln.
       
       Nach alter britischer Gepflogenheit steckte man die Kinder in ein
       Internierungslager. Dort, bei Gatwick, waren bis Juli Flüchtlinge
       aufbewahrt worden, die abgeschoben werden sollten. Das Lager schloss man
       dann jedoch wegen Protesten von Menschenrechtsorganisationen.
       Flüchtlingskinder wissen ja nichts von Menschenrechten.
       
       Und sind es überhaupt Kinder? Zahlreiche britische Politiker bezweifeln
       das. Asiaten sehen meist jünger aus als sie sind, das kennen die Engländer
       aus Katalogen für thailändische Ehefrauen. Bestellt man eine vermeintlich
       20-Jährige, reist sie ein und bringt ihre Enkel mit.
       
       Der Tory-Abgeordnete David Davies forderte deshalb, alle Flüchtlingskinder
       einer Zahnuntersuchung zu unterziehen, um ihr wahres Alter festzustellen.
       Das ist aber bei Menschen zwischen 16 und 24 nicht so einfach. Professor
       Tim Cole vom Great Ormond Street Hospital sagte, dass eine Zahnuntersuchung
       in dieser Altersgruppe bei einem Drittel zu einem falschen Ergebnis führe.
       
       Warum besinnt man sich nicht gleich auf einen britischen Brauch? 1381 wurde
       ein Gesetz erlassen, wonach jeder Mensch ab 13 Jahren Steuern zahlen
       musste. Über Nacht fand eine Infantilisierung der Gesellschaft statt. Aber
       die Steuerinspektoren waren nicht blöd. Vermuteten sie, dass ein angeblich
       Zwölfjähriger oder eine vermeintlich Elfjährige in Wirklichkeit 13 waren,
       zogen sie dem Kind die Kleidung aus. Hatte es Schamhaare, wurde es als
       steuerpflichtig eingestuft. Ein solches Verfahren ist billiger und
       schneller als eine Gebissuntersuchung.
       
       Eine Zeitung monierte, dass die meisten Flüchtlingskinder gar keinen Pass
       haben. „Wenn ein Engländer in den Lake District fährt, steckt er sich Pass
       und Führerschein ein“, hieß es in dem Blatt. „Begibt man sich auf solch
       eine lange und gefährliche Reise wie diese Kinder, sollte man erst recht
       nicht vergessen, Pass und Impfbescheinigung mitzunehmen.“
       
       Und aus Kindern werden Leute, monierte der Reporter. „Die 15-Jährigen, die
       wir vor vier Jahren aufgenommen haben, sind heimlich erwachsen geworden,
       aber wir können sie nicht wieder zurückgeben.“ Und er verwies auf das Fotos
       von einem runzligen Greis, der sich angeblich als Vierzehnjähriger
       ausgegeben hatte.
       
       Im Netz schrieb Mark Steel vom Independent dagegen, dass die Gesichter der
       Kinder auf den Pressefotos verpixelt seien. „Führen die etwas im Schilde“,
       fragte er ironisch, „dass sie ihre Gesichter verbergen?“ In Frankreich habe
       man ein Burkiniverbot erlassen. Das brauche man wegen des britischen
       Wetters nicht. Aber es müsse jetzt gefälligst und schleunigst ein
       Verpixelungsverbot her.
       
       31 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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