# taz.de -- heute in hamburg: „Unendlicher Leidensweg“
       
       > ZIVILGESELLSCHAFT Kapitän Klaus Vogel berichtet von der Rettung
       > Geflüchteter aus schwerer See
       
       taz: Herr Vogel, wie ist die Lage im Mittelmeer? 
       
       Klaus Vogel: Die Zahl der Flüchtlinge im zentralen Mittelmeer, zwischen
       Libyen und Italien, hat sich im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren
       kaum verändert. Da sind etwa 150.000 Menschen im Jahr, die in zu kleinen,
       ungesicherten Booten fliehen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ertrinken
       2016 aber mehr Menschen auf diesem Weg. Heute bereits so viele wie 2015
       insgesamt: über 3.700.
       
       Was muss sich ändern? 
       
       Als Weltbürger tragen wir alle eine Mitverantwortung dafür, dass die
       Menschen dort gerettet werden. Man muss Libyen ganz oben auf die
       Tagesordnung setzen. Die Weltgemeinschaft muss dort hinsehen. Dass Menschen
       auf die Schlepperboote kommen, ist der letzte Schritt eines unendlichen
       Leidensweges.
       
       Wie finden Sie Europas derzeitige Flüchtlingspolitik? 
       
       Die europäischen Regierungen müssen die Seenotrettung zur dringendsten
       humanitären Aufgabe machen. Das sollte man nicht mit der Bekämpfung der
       Schlepper und Menschenhändler verbinden. Die sind grausam, befinden sich in
       der Regel aber nicht auf See, sondern schicken die Leute vom Land aus los.
       In Libyen laufen Flüchtende Gefahr, an Schlepper und Menschenhändler zu
       geraten. Die Lage ist katastrophal. Es ist Glückssache, ob sie überleben.
       Da wird gemordet, erpresst, vergewaltigt. Da herrschen keine moralischen
       Maßstäbe, die wir verstehen könnten.
       
       Was hat Sie bei Ihren Rettungseinsätzen auf See besonders geprägt? 
       
       Die unmittelbare Begegnung mit Menschen in Todesangst, die aus der
       libyschen Hölle entkommen sind, und deren Erfahrungen. Zwei Frauen, die von
       Menschenhändlern in einem Gefängnis gehalten wurden, konnten durch eine
       Lücke auf den Hof sehen. Da haben die Wärter die männlichen Gefangenen
       aufeinander gehetzt – die mussten sich um Leben und Tod bekämpfen.
       
       Wie viele Menschen konnten Sie bislang retten? 
       
       Wir haben bisher 5.000 Menschen aus dem Wasser geholt und noch mal 3.000
       von anderen Booten übernommen. Das sehe ich nicht als Erfolg – ich bin
       einfach erleichtert, wenn es gelungen ist. Gleichzeitig bin ich
       erschüttert, dass wir im 21. Jahrhundert so eine Katastrophe über Jahre
       hinweg zulassen.
       
       Interview: Hannes Vater
       
       Gespräch „SOS Méditerranée – die europäische Zivilgesellschaft rettet
       Flüchtlinge im Mittelmeer“: 19 Uhr, Körber Forum, Kehrwieder 12. Anmeldung
       unter: www.koerberforum.de
       
       26 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Vater
       
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