# taz.de -- Ist das noch deutsch?
       
       > Literatur Das Festival „Globale“ präsentiert in den kommenden Tagen
       > internationale Literatur in Bremen. Flucht und das zerbrechende Europa
       > stehen im Mittelpunkt
       
 (IMG) Bild: Neben Workshops, Vorträgen und Theater stehen beim Literaturfestival „Globale“ natürlich auch Lesungen auf dem Programm
       
       von Eva Przybyla
       
       Das Programm ist lang und die Namen der Gäste stammen aus aller Welt. Auch
       die Texte der AutorInnen wurden im Original auf Französisch, Türkisch und
       Niederländisch geschrieben, in Bremen werden sie im Wechsel mit ihren
       deutschen Übersetzungen gelesen.
       
       Das Bremer „Globale – Festival für grenzüberschreitende Literatur“ ließ in
       der Vergangenheit nur SchriftstellerInnen mit Migrationshintergrund lesen,
       die der deutschen Gegenwartsliteratur zugerechnet werden. Doch in diesem
       Jahr habe man sich von diesem Kriterium gelöst, sagt der Pressesprecher
       Tobias Pollok. Deutschland und die Herkunft der AutorInnen spielen keine
       Rolle mehr. Die Auswahl ist vielfältig und reicht über die Grenzen
       deutscher MigrantInnenliteratur hinaus – „über Flucht und Wanderschaften
       bis hin zu Milieugrenzen“, sagt Pollok.
       
       Den Rahmen des Festivals vom 25. Oktober bis zum 15. November bildet eine
       europakritische Diskussion. Bei der Auftaktveranstaltung liest der
       niederländische Schriftsteller und Journalist Cees Noteboom dazu Texte über
       Europa aus dem Brevier „Ich hatte ja tausend Leben“. Die Textsammlung aus
       Notebooms Romanen, Erzählungen, Reiseessays und Gedichten hat sein Freund
       und Bewunderer, der Literaturkritiker Rüdiger Safranski, erstellt. Als
       Zeitzeuge über Europas Entwicklung dürfte Noteboom spannende Anregungen
       geben. Er war als Journalist bei historischen Umbrüchen wie 1968 in Paris
       oder beim Zusammenbruch der DDR zugegen. Ausgehend von Notebooms Texten
       werden der Poetik-Dozent José F. A. Oliver, die jüdische Autorin Gila
       Lustiger und andere über den Zustand Europas diskutieren.
       
       Überraschungen gibt es unter den AutorInnen über Flucht und Wanderungen.
       Denn die Auseinandersetzungen mit diesen Themen sind nicht nur inhaltlich,
       sondern auch formal sehr abwechslungsreich. So erzählt Reinhard Kleist die
       Geschichte der somalischen Läuferin Samia Yusuf Omar in der sensiblen
       Graphic Novel „Der Traum von Olympia“. Die reale Person Omar ertrank auf
       ihrer Flucht vor den Al-Shabab-Milizen im Mittelmeer.
       
       Eine noch neuere Form ist der Facebook-Briefroman von Senthuran
       Varatharajah. In den Pinnwand-Dialogen diskutiert ein Einwanderer aus Sri
       Lanka das Fremdsein in Deutschland.
       
       Doch auch der klassische Roman ist vertreten, durch die vielgelobte
       „Ohrfeige“ des deutsch-irakischen Schriftstellers Abbas Khider, der den
       Irrsinn des deutschen Asylsystems erzählt. In den bürokratischen Wirrungen
       verliert sich der Ich-Erzähler, der aufgrund seiner natürlich gewachsenen
       Brüste (Gynäkomastie) aus dem Irak floh.
       
       Doch zurück zur experimentellen Form, mit der der israelische Autor Tomer
       Gardi die Jury des Bachmann-Preises ins Grübeln brachte. Sein Roman „Broken
       German“ ist auf Deutsch, allerdings in dem gebrochenen Deutsch eines
       israelischen Einwanderers – also voller vorsätzlicher Fehler. Beim
       Bachmann-Preis wurde deshalb die Frage diskutiert: Sind Gardis Geschichten
       junger Männer in Berlin wirklich deutsch?
       
       Ein weiterer, sehr kontroverser Autor kommt dank eines Austauschs des
       „Globale“-Festivals mit dem bedeutenden französischen Literaturfestival
       „Étonnants voyageurs“ nach Bremen: Boualem Sansal gilt als wichtigster
       algerischer Gegenwartsautor. Sein dystopischer Roman „2084. Das Ende der
       Welt“ wird in Frankreich so kontrovers diskutiert wie die „Unterwerfung“
       von Michel Houellebecq. Sansal spielt in Anlehnung an Orwells 1984 eine
       planetare Religionsdiktatur durch. Ob es sich dabei um den grausamen Traum
       der Terrormiliz IS handelt, lässt Sansal geschickt offen.
       
       Als ebenso bekannt gilt der türkische Autor und Erdogan-Kritiker Nedim
       Gürsel in der Türkei. Er liest aus „Le fils du capitaine“, einem
       autobiographischen Familienroman über die Türkei, speziell über sein
       geliebtes Istanbul, und das Exil. Einen weiteren Familienroman stellt
       Shumona Sinha vor, deren Text „Erschlagt die Armen!“ über die europäische
       Flüchtlingspolitik für Aufsehen sorgte.
       
       Neben den Lesungen wird es in Bremen und Bremerhaven Diskussionen,
       Theaterinszenierungen, Schreibworkshops, eine literarische Bootsfahrt und
       Ausstellungen geben. Auch bei Letzteren haben die OrganisatorInnen der
       „Globale“ auf Bekanntheit gesetzt und den Multikulti-Kritiker und
       Schriftsteller Feridun Zaimoglu eingeladen. Er stellt in der Bremer Galerie
       am Schwarzen Meer erstmalig seine Bilder aus. Insgesamt bietet die
       „Globale“ einen spannenden Blick in die europäische Gegenwartsliteratur.
       
       „Globale“-Festival, 25. Oktober bis 15. November; Infos auf
       globale-literaturfestival.de
       
       22 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Przybyla
       
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