# taz.de -- Unter einen Hut bringen
       
       > Balance Eine Reihe von Hürden erschweren die Vereinbarkeit von Familie
       > und Beruf. Doch inzwischen gibt es Firmen mit spannenden
       > familienfreundlichen Konzepten
       
 (IMG) Bild: Babys mit zur Arbeit nehmen? Im EU-Parlament sieht man das schon häufiger
       
       von Christine Berger
       
       Teilzeit, Heimarbeit, Elternzeit: Familienfreundliches Arbeiten ist möglich
       und vielfältig, doch leider noch immer die Ausnahme hinsichtlich der
       Akzeptanz in vielen Betrieben: Wer beim Bewerbungsgespräch vorsichtig
       fragt, ob Homeoffice möglich sei, der gilt selbst in sich cool gebenden
       Unternehmen schnell als einer, der sich vergewissern will, ob der Job eine
       Hängematte impliziere.
       
       Dass es auch anders geht, zeigt die IT-Firma Projektron, die gerade den
       Preis für das familienfreundlichste Unternehmen im landesweiten Wettbewerb
       „Unternehmen für Familie – Berlin 2016“ in der Sparte MitarbeiterInnen
       gewonnen hat. Kein Wunder, dass die Software-Firma eine Frauenquote von 40
       Prozent hat und sich viele Bewerber gerade wegen der familienfreundlichen
       Arbeitsstrukturen mit Teilzeit und Homeoffice an das Unternehmen wenden.
       „Vor allem aber haben wir ein offenes Ohr“, sagt Claudia Kohr, die
       Sprecherin des Wettbewerbs. „Wir loten ständig aus, was für Bedürfnisse
       Mitarbeiter haben.“ Wichtig sei die Grundeinstellung, dass ein Unternehmen
       für die Probleme von Eltern Verständnis aufbringe.
       
       Familie und Job unter einen Hut zu bekommen, braucht individuelle Lösungen,
       denn nicht immer sind es Kinder, sondern zunehmen auch alternde Eltern, die
       Betreuung brauchen, manchmal sogar alles gleichzeitig, weil Berufstätige
       immer später Kinder bekommen und deren Großeltern dementsprechend mitunter
       schon pflegebedürftig sind. Manchmal kann es daher helfen, neben der
       Elternzeit weitere Sabbatzeiten in Anspruch zu nehmen.
       
       Lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle heißt die Lösung, die schon
       einige Firmen anbieten. Zum Beispiel der Flughafenbetreiber Fraport am
       Flughafen Frankfurt. Hier können Mitarbeiter Lebensarbeitszeitkonten führen
       und Urlaubstage oder Überstunden sammeln, um sie in Phasen, in denen sie
       privat Zeit brauchen, einzusetzen. Zum Lebensphasenorientierten
       Arbeitszeitmodell kann aber auch gehören, dass Mitarbeiter für mindestens
       drei und maximal sechs Monate auf 80 Prozent reduzieren können, wenn der
       Stress zu Hause groß ist. Die Arbeit im Homeoffice oder sogenannte
       Vertrauensarbeitszeit – Arbeitnehmer teilen die Arbeitszeit
       eigenverantwortlich ein, der Arbeitgeber wiederum verzichtet auf die
       Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeiten – sind weitere Handlungsoptionen
       für Arbeitgeber, Berufstätigen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
       
       Nicht für jeden sind solche Arbeitszeitmodelle, wie etwa die Reduzierung
       der Arbeitszeit, geeignet. Im Niedriglohnsektor, immerhin fast ein Viertel
       aller Beschäftigten in Deutschland, zählt jeder Cent. Sparen – ob Zeit oder
       Geld – ist meistens nicht drin. Und nicht jeder Betrieb ist in der Lage,
       ein Lebensarbeitszeitkonto für seine Mitarbeiter zu organisieren. Also ist
       für viele Menschen, die Balance zwischen Familie und Job zu finden, in
       erster Linie Privatsache.
       
       Ob das gelingt, hängt vor allem von staatlichen Betreuungseinrichtungen und
       Familienstrukturen ab. Gibt es in einer Familie ganz klassisch zwei
       Elternteile, die zusammen die Kinder erziehen, ist das schon mal ein
       erheblicher Vorteil Alleinerziehenden gegenüber, die Fehlzeiten, etwa wegen
       kranker Kinder, zu hundert Prozent auf ihre Kappe nehmen müssen. Ist
       vielleicht eine Oma in der Nähe oder Verwandte und Freunde, die
       miterziehen, sieht die Lage gleich entspannter aus. Auch
       Mehrgenerationenhäuser, in denen ältere Nachbarn auf die Kinder aufpassen
       und sie bei Bedarf schon mal von der Kita abholen, haben große Vorteile für
       berufstätige Eltern.
       
       Generell könnte ein gesellschaftliches Umdenken in punkto Karriereplanung
       dazu beitragen, Familie und Job künftig besser zu leben. So fordert
       Anne-Marie Slaughter, ehemalige Planungsdirektorin von Außenministerin
       Hillary Clinton und Professorin an der Princeton-Universität in ihrem Buch
       „Unfinished Business“, eine Karriere nicht als stetig ansteigende Kurve zu
       betrachten, sondern als Stufenmodell mit aktiveren und ruhigeren Phasen.
       Und ganz wichtig: „Als Arbeitgeber sollte man nicht diejenigen Mitarbeiter
       am meisten schätzen, die am längsten im Büro sitzen, sondern diejenigen,
       die die beste Arbeit in der kürzesten Zeit erledigen“, so Slaughter.
       
       Mittelfristig werden wohl viele Unternehmen so oder so gezwungen sein, an
       ihrer Familienfreundlichkeit zu feilen, denn schon jetzt sorgt der
       Fachkräftemangel allerorten für starke Konkurrenz untereinander. Auch im
       Handwerk wird längst darüber nachgedacht, wie man den Beruf des Klempners
       oder Gebäudereinigers familienfreundlicher gestalten kann. Gebäudereiniger
       etwa arbeiten meistens zu Zeiten, wenn Kindergärten und Krippen noch nicht
       oder nicht mehr geöffnet haben. Laut Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer
       der Handwerkskammer Berlin, entscheide eine passende Kinderbetreuung in
       seiner Branche mitunter sogar darüber, ob ein Arbeitsplatz überhaupt
       besetzt werden könne.
       
       Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird gerade für den Mittelstand
       immer wichtiger“, resümiert Christian Wiesenhütter, stellvertretender
       Hauptgeschäftsführer der IHK in Berlin. Möglichkeiten, diese umzusetzen,
       gibt es mehr denn je.
       
       1 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christine Berger
       
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