# taz.de -- Arzt über HIV-Präventionsmedikament: „Es ist kein Heilsbringer“
       
       > Das HIV-Präventionsmedikament Truvada ist teuer und nur eine Lösung für
       > eine kleine Gruppe. So sieht es zumindest der Infektiologe Gerd
       > Fätkenheuer.
       
 (IMG) Bild: Erstmals kann dem HI-Virus europaweit medikamentös vorgebeugt werden
       
       taz: Herr Fätkenheuer, die Europäische Kommission hat am Donnerstag das
       Medikament Truvada als „Prä-Expositionsprophylaxe“ (PrEP), als Prävention
       vor dem HI-Virus, zugelassen – wie sehr verändert das den Kampf gegen den
       HI-Virus in Deutschland? 
       
       Gerd Fätkenheuer: PrEP kann ein Beitrag zu einer verbesserten Prävention
       sein, allerdings nur für eine kleine Anzahl von Menschen, die sehr viele
       Sexualpartner haben und sich nicht durch Kondome schützen können oder
       wollen. Auch wenn die Menschen vor der Benutzung von Truvada aufgeklärt
       werden, dass sie ein Kondom weiter nutzen sollen, wissen wir aus
       Erfahrungen, dass es eine Gruppe gibt, die es nicht tut. Diese Gruppe ist
       für eine hohe Anzahl an Neuansteckungen verantwortlich. Deshalb erwartet
       man, dass die Ansteckungsrate in einem begrenzten Umfang weiter zurückgehen
       könnte.
       
       Die Kosten für Truvada sind mit 840 Euro monatlich sehr hoch. Der
       Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hat angekündigt diese
       Kosten nicht zu übernehmen – bleibt das Mittel damit elitär? 
       
       Das ist problematisch. Dieses Problem ist ähnlich wie die Anti-Babypille,
       diese muss auch selber gezahlt werden, aber nur mit viel geringeren Kosten.
       Das heißt für die Nutzung dieser Möglichkeit wäre es zwingend notwendig,
       dass die Kosten für das Präparat sinken.
       
       Mit dem Frühjahr 2017 läuft das Patent des US-Herstellers Gilead aus,
       könnten die Kosten durch Generika fallen? 
       
       Es wird möglich sein Generika herzustellen, welche die gleiche Wirkung
       haben und das wird dann auch die Kosten senken, davon bin ich überzeugt.
       
       In den USA ist Truvada als PrEP seit 2012 zugelassen – sehen Sie die
       Erfahrungen dort als vielversprechend an? 
       
       Truvada wird schon lange als Medikament zur Therapie eingesetzt, für uns
       ist es daher nicht neu. In den USA wird es bereits prophylaktisch
       eingesetzt. Aber auch dort wird es nur von einer sehr begrenzten Gruppe von
       Personen eingenommen – es bleibt eine Frage der Finanzierung.
       
       Wenn ein Medikament sowohl als Prophylaxe, als auch zur Therapie eingesetzt
       wird, besteht dabei nicht die Gefahr von Resistenzbildungen? 
       
       Resistenzen können sich nur bilden, wenn jemand das Medikament vorbeugend
       nimmt, aber bereits mit dem Virus infiziert ist. Dann reicht nämlich
       Truvada alleine nicht aus, denn eine Behandlung von HIV-Patienten besteht
       aus mehreren Komponenten. Die Gefahr ist, dass es zum Teil zu einer
       unkontrollierten Anwendung kommt und eine Erkrankung vorher nicht getestet
       wurde, wenn es auf dem Schwarzmarkt gekauft wird. Neben einer intensiven
       Aufklärung ist daher wichtig, dass kontrolliert wird, ob sich die Menschen
       an die Regeln halten.
       
       Die Kosten für Kondome sind wesentlich geringer, die Wirkung ist ähnlich –
       ist Truvada überflüssig? 
       
       In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass Truvada tatsächlich eine
       Prophylaxe-Wirkung hat. Bei diesen Studien wurde zwischen zwei Gruppen
       unterschieden, jene, welche die herkömmlichen prophylaktischen Maßnahmen,
       wie Kondome, verwenden sollten und jene, die zusätzlich noch Truvada
       einnahmen. Die Zahl der Neuansteckungen war bei der zweiten Gruppe deutlich
       geringer. Dies zeigt, dass trotz intensiver Beratung bei manchen Menschen
       ein Risiko bleibt sich anzustecken – bei dieser Gruppe hat PrEP seine
       Berechtigung und ist medizinisch eine sinnvolle Maßnahme. Aber ein
       Heilsbringer ist es auch nicht.
       
       Bei Truvada muss der Mensch sehr diszipliniert sein, um zu wirken, muss das
       Medikament täglich eingenommen werden – ein zusätzliches Risiko? 
       
       Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass das Medikament genommen
       wird und man sich nicht weiter schützen muss. Eine unregelmäßige Einnahme
       geht mit der Gefahr einer unbemerkten Infizierung und damit auch mit der
       Gefahr einer Resistenzbildung einher.
       
       4 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Achorner
       
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