# taz.de -- Ein Jahr Blendle: Man übt sich in Geduld
       
       > Seit einem Jahr verkauft Blendle in Deutschland Artikel aus Zeitungen und
       > Magazinen. So richtig gut scheint das noch nicht zu funktionieren.
       
 (IMG) Bild: Beim Start waren die Blendle-Initiatoren noch optimistisch
       
       „Guten Donnerstagmorgen René, zugegeben: Wir bei Blendle finden unsere
       Lauchkörper ganz okay, aber falls das bei dir anders sein soll, lies mal
       diese überraschend hilfreichen 25 Tipps, wie du schlank und fit wirst.
       Dafür bitte einmal ganz runterscrollen.“
       
       Wer Kunde des Online-Kiosks Blendle ist, muss einiges ertragen, wenn er den
       täglichen Newsletter liest. Einen Artikel aus der aktuellen Zeit teasern
       die Kioskverkäufer so an: „Und hier hackt Söder genüsslich auf Merkel rum.
       Er fordert eine Obergrenze von 200.000 und eine Menge Abschiebungen.“ Eine
       Menge Abschiebungen – richtet sich der Newsletter an Kinder? Merkel geht
       sowieso immer: „Liebe, Sex und Merkel. Hier sind die besten Artikel für
       dein Wochenende“, versprachen die Newsletter-Poeten neulich.
       
       Bei Blendle entgegnen sie auf solche Kritik, dass man auf spannende,
       glasklare und aufrichtige Weise auf empfehlenswerte Artikel hinweisen wolle
       und dass dies natürlich nicht immer gelinge. Lohnt es sich trotz der
       verbalen Folter, Blendle-Kunde zu sein? Durchaus, denn das aus den
       Niederlanden stammende Unternehmen, das in Deutschland in diesen Tagen sein
       einjähriges Bestehen feiert, hat ein sehr benutzerfreundliches Angebot für
       den Kauf von Einzelartikeln entwickelt – unkomplizierte Zahlungsweise
       inklusive.
       
       Außerdem sind sie bei Blendle „supernett“ – so charakterisieren die
       Kioskverkäufer selber ihr Entgegenkommen bei Nichtgefallen eines Artikels.
       Wer von einem Beitrag enttäuscht ist, bekommt sein Geld zurück.
       
       ## Startguthaben von 2,50 Euro
       
       Blendle verkauft mittlerweile Artikel aus 40 hiesigen Zeitschriften, 36
       Tageszeitungen (nicht der taz) und ausgewählten internationalen
       Tageszeitungen. Eine Zwischenbilanz des bisherigen Wirken des Online-Kiosks
       zu ziehen, ist nicht ganz einfach, denn Blendle schweigt zu seinen
       Umsatzzahlen. Das Unternehmen verrät nur, dass es eine Million
       Blendle-Accounts in den Niederlanden, Deutschland und den USA gibt; davon
       zahlten 20 Prozent mit eigenem Geld, das heißt, sie nutzen nicht nur das
       Startguthaben von 2,50 Euro, das Blendle jedermann schenkt.
       
       Ein bisschen mehr Auskunftsfreude herrscht dagegen bei den Verlagen, die
       über den Kiosk Artikel verkaufen. Christina Dohmann, Chief Digital Officer
       des Deutschen Pressevertriebs (DPV), der Vertriebstochter des Verlags
       Gruner + Jahr, will zwar zu konkreten Umsätzen „grundsätzlich kein Angaben“
       machen. Sie betont aber, „dass der digitale Vertriebsmarkt auf
       Online-Kiosken insgesamt noch sehr überschaubar ist. Es gibt derzeit kein
       Modell, dass Verlagen wirklich relevante Erlöse garantiert.“ Man sei in
       Hamburg aber „überzeugt davon, dass bei einem solch innovativen, neuen
       Modell“, wie Blendle es anbiete, „Zeit und Geduld eine große Rolle
       spielen“.
       
       Dohmann sagt, seit September 2015 habe Gruner + Jahr Blendle insgesamt
       90.000-mal Artikel aus dem Stern, der Brigitte und zehn weiteren
       Verlagstiteln verkaufen können. Veranschlagt man sehr großzügig 0,65 Euro
       als Preis für sämtliche G+J-Texte – so viel kostet ein aktuelles
       Stern-Interview mit dem Medienanwalt Matthias Prinz –, kommt man, abzüglich
       der Blendle-Provision von 30 Prozent, auf Jahreseinnahmen von gerade mal
       rund 40.000 Euro. Davon muss man noch die Kosten abziehen, die
       verlagsseitig für die technischen Schnittstellen anfallen.
       
       ## Keine Umsatzgarantie
       
       Aus der Geschäftsführung eines anderen Hauses stammt die Information, der
       Anteil von Einnahmen durch Blendle am gesamten digitalen Verkauf mache
       weniger als ein Prozent aus.
       
       Das muss aber für die Verlage nicht nur schlecht sein. Ein Verlagsmanager,
       der seinen Namen nicht genannt wissen möchte, weil öffentliche Äußerungen
       zu Blendle oft branchendiplomatische Verwicklungen nach sich ziehen,
       kritisiert: „Wir haben über den Einzelverkauf von Artikeln bisher zu viel
       aus kommerzieller und viel zu selten aus publizistischer Sicht diskutiert.
       Wenn der Einzelverkauf sich durchsetzte, hätte das fatale Folgen für die
       Erstellung von Content und die Art, wie Redaktionen aufgebaut sind.“
       
       Der Hintergrund dieser Einschätzung: Was gut funktioniert auf Blendle, sind
       Dossiers, Kolumnen, Reisegeschichten, längerfristig Nutzwertiges. Der
       erfolgreichste Gruner-+-Jahr-Artikel in der einjährigen Geschichte von
       Blendle Deutschland etwa stammt aus derBrigitte – ein Interview mit einem
       Ernährungswissenschaftler. „Kluge Leute trinken keine Cola“, lautete die
       offenbar absatzfördernde Überschrift.
       
       Nachrichtlich geprägte Texte, die nach zwei, drei Tagen überholt sind, aber
       zu den Kernaufgaben des Journalismus gehören, funktionieren dagegen kaum.
       Spielte der Online-Einzelverkauf eine allzu große Rolle, könnte das
       Verlagsmanager dazu verleiten, für im weiteren Sinne nachrichtlichen
       Journalismus weniger Geld auszugeben – und mehr für potenzielle
       Blockbuster-Texte.
       
       14 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
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